Dr. Andreas Geiger, Dr. Wolfgang Würfel
I. Typischer Sachverhalt
Rz. 99
Die Möglichkeiten zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge haben in den letzten Jahren zugenommen. Dies liegt im Hinblick auf die §§ 54 ff. VwVfG weniger an den bestehenden rechtlichen Möglichkeiten, als vielmehr auch daran, dass die maßgeblichen öffentlichen Stellen diesem Instrument im Gegensatz zu früher nicht mehr ganz so skeptisch gegenüberstehen. Auch wenn sich der Großteil der geschlossenen Verträge noch auf solche beschränkt, die im besonderen Verwaltungsrecht geregelt sind (vgl. § 124 BauGB, §§ 11, 12 BauGB), mehren sich die Fälle, in denen die Behörden auch in typisch ordnungsrechtlich geprägten Bereichen einer vertraglichen Vereinbarung näher treten. Meist ist es dabei so, dass auf der einen Vertragsseite der Bürger und auf der anderen die Behörde steht, es sich also um ein zweiseitiges Vertragsverhältnis handelt. Darüber hinausgehende mehrseitige Verträge sind denkbar.
II. Rechtliche Grundlagen
1. Vertragsgegenstand
Rz. 100
Allgemeine Grundlage zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge sind die §§ 54–62 VwVfG. Unterschieden wird nach sog. subordinations- und koordinationsrechtlichen Verträgen. Hierbei unterliegen die subordinationsrechtlichen Verträge strengeren Anforderungen als die koordinationsrechtlichen, vgl. §§ 55, 56, 59 Abs. 2 und 61 VwVfG. Als besonders häufig auftretende Vertragstypen nennt § 55 VwVfG den Vergleichsvertrag und § 56 VwVfG den Austauschvertrag. Einen numerus clausus von Vertragsarten gibt es hingegen nicht.
Ob ein Vertrag öffentlich- oder privatrechtlich ist, richtet sich grundsätzlich nach seinem Gegenstand, § 54 S. 1 VwVfG. Bei sog. gemischten Verträgen kommt es darauf an, wo der Vertrag seinen Schwerpunkt hat, welcher Teil ihm das entscheidende Gepräge gibt. Die klare Bestimmung des privat- oder öffentlich-rechtlichen Charakters eines Vertrages entscheidet über die gesetzlichen Anforderungen und auch – im Falle von Streitigkeiten – über den Rechtsweg nach § 40 VwGO.
2. Handlungsform
Rz. 101
Prinzipiell sind öffentlich-rechtliche Verträge im gesamten Verwaltungsrecht, für das das VwVfG gilt (vgl. §§ 1, 2 VwVfG), möglich. Beschränkungen ergeben sich jedoch zum Teil aus dem besonderen Verwaltungsrecht, wenn dort z.B. besondere andere Handlungsformen vorgeschrieben sind. Aus dem besonderen Verwaltungsrecht ergibt sich außerdem auch, welchen Inhalt ein öffentlich-rechtlicher Vertrag haben darf. Neben den ausdrücklichen spezialgesetzlichen Regelungen, z.B. § 124 BauGB (Erschließungsvertrag), § 11 BauGB (städtebaulicher Vertrag), § 12 BauGB (Durchführungsvertrag zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan), § 47 Abs. 3 Nr. 3 BayBO (Stellplatzablösevertrag), sind die allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien, wie z.B. das Koppelungsverbot (§§ 56, 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG), zu beachten. Die Nichtigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge regelt § 59 VwVfG.
3. Vertretungsbefugnis
Rz. 102
Soll z.B. mit einer Gemeinde ein öffentlich-rechtlicher Vertrag abgeschlossen werden, ist außerdem noch zu beachten, dass eine wirksame Vertretung durch das dafür zuständige Organ einer besonderen, entweder auf Landesgesetz oder besonderem Gemeinderatsbeschluss beruhenden, Vertretungsbefugnis bedarf.
4. Formerfordernis
Rz. 103
Öffentlich-rechtliche Verträge bedürfen der Schriftform (vgl. § 57 VwVfG, §§ 124 Abs. 4, 11 Abs. 3 BauGB). Wird in ihnen, z.B. in Erschließungs- oder städtebaulichen Verträgen, die Übertragung von Grundstücken geregelt, ist außerdem noch § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. §§ 311b Abs. 1, 125 BGB zu beachten.
5. Genehmigungserfordernis
Rz. 104
Zu beachten ist außerdem, ob und inwieweit öffentliche Verträge spezieller öffentlich-rechtlicher Genehmigungen, insbesondere der Rechtsaufsichtsbehörden, bedürfen. Dies gilt z.B. generell für den Abschluss von kreditähnlichen Verträgen mit Kommunen (vgl. Art. 72 BayGO). Wird die Genehmigung nicht erteilt, kann der Vertrag unwirksam werden (vgl. Art. 117 Abs. 2 BayGO).
6. Sonstige Voraussetzungen
Rz. 105
Im Übrigen gilt auch bei öffentlich-rechtlichen Verträgen "pacta sunt servanda". Ergeben sich die Rechtsfolgen von Leistungsstörungen nicht aus den Bestimmungen des Verwaltungsrechts (z.B. §§ 11, 12 BauGB), ist nach § 62 VwVfG das BGB entsprechend heranzuziehen. Zu beachten ist außerdem die Vorschrift des § 60 Abs. 1 S. 1 VwVfG zum Wegfall der Geschäftsgrundlage. Um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen, hat die Behörde nach § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG ein besonderes Kündigungsrecht.
Die Behörde hat, wie der private Vertragspartner, ihre vertraglichen Ansprüche durch Klage beim VG durchzusetzen. Die zwangsweise Durchsetzung vertraglicher Ansprüche durch VA ist ihr verwehrt.