Rz. 75
§ 85 Abs. 2 ArbGG regelt für das Beschlussverfahren, dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig ist. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des 8. Buches der ZPO über die einstweilige Verfügung entsprechend mit der Maßgabe, dass die Entscheidungen durch Beschl. der Kammer ergehen, erforderliche Zustellungen von Amts wegen erfolgen und ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 945 ZPO in Angelegenheiten des BetrVG nicht besteht.
I. Arrest
Rz. 76
§ 85 Abs. 2 ArbGG erwähnt nicht ausdrücklich den Arrest. Nach allgemeiner Meinung handelt es sich jedoch insoweit um eine Gesetzeslücke. Auch im Beschlussverfahren sind Arreste zulässig (vgl. GMP/Spinner, ArbGG, § 85 Rn 28).
Rz. 77
Der Erlass eines Arrestes, welcher gem. § 916 ZPO zur Sicherung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen wegen einer Geldforderung stattfindet oder wegen eines Anspruches, der in eine Geldforderung übergehen kann, kommt im Beschlussverfahren nur in Betracht, soweit es um Kostenerstattungsansprüche der betriebsverfassungsrechtlichen Organe oder ihrer Mitglieder gegen den Arbeitgeber geht (Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz, H Rn 1). Hierbei handelt es sich in erster Linie um die Sicherung von Geldforderungen aus Kostenerstattungsansprüchen i.S.d. § 40 BetrVG, z.B. für die Kosten der Geschäftsführung, des Betriebsrates oder die Kosten für Schulungen einzelner Betriebsratsmitglieder und die Absicherung der Zahlung dieser entsprechenden Kostenzuschüsse. Weiterhin kommt ein Arrest hinsichtlich der Freistellung von Verbindlichkeiten, die z.B. durch die Beratung oder Beauftragung eines Anwaltes entstehen, in Betracht.
Rz. 78
In der Praxis spielt das Arrestverfahren im Beschlussverfahren ebenso wie im Urteilsverfahren lediglich eine untergeordnete Rolle.
II. Einstweilige Verfügung
Rz. 79
Zuständig für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren ist gem. § 937 ZPO das Gericht der Hauptsache, mithin das ArbG. Ist die Hauptsache bereits in der Berufungsinstanz anhängig, ist Gericht der Hauptsache gem. § 943 Abs. 1 ZPO das Berufungsgericht, somit das LAG. Eine Zuständigkeit der AGe gem. § 942 ZPO scheidet aus (vgl. Rdn 5).
Rz. 80
Da das einstweilige Verfügungsverfahren ein Erkenntnisverfahren und kein Zwangsvollstreckungsverfahren ist, gelten die Vorschriften der §§ 80 ff. ArbGG. Gem. § 83 Abs. 1 ArbGG erforscht das Gericht den Sachverhalt i.R.d. gestellten Anträge von Amts wegen (Amtsermittlungsgrundsatz). Der Amtsermittlungsgrundsatz gilt auch im einstweiligen Verfügungsverfahren (LAG Nürnberg v. 1.4.1999 – 6 Ta 6/99, NZA 2000, 335). Die am Verfahren Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Das Gericht kann zur Aufklärung des Sachverhaltes gem. § 83 Abs. 3 ArbGG Urkunden einsehen, Auskünfte einholen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und den Augenschein einnehmen. Das Gericht ist auch bei Vorliegen eines Beweisantrages berechtigt, Beweise zu erheben (vgl. LAG München v. 26.8.1992 – 5 TaBV 43/92, BB 1993, 2168).
Rz. 81
Gem. § 937 Abs. 2 ZPO kann in dringenden Fällen die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen. Aus § 85 Abs. 2 S. 2 ArbGG ergibt sich, dass auch in Fällen fehlender Anhörung eine Entscheidung durch die vollbesetzte Kammer zu ergehen hat. § 944 ZPO, der eine Alleinentscheidung des Vorsitzenden in dringenden Fällen vorsieht, findet keine Anwendung (BAG v. 28.8.1991 – 7 ABR 72/90, DB 1992, 380 = NZA 1992, 41).
Rz. 82
Über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird durch Beschl. entschieden. In Anwendung des § 926 ZPO ist auf Antrag des Verfügungsgegners vom ArbG auszusprechen, dass dem Antragsteller eine Frist gesetzt wird, innerhalb derer er das Hauptsacheverfahren anhängig zu machen hat. Der Beschl. ist gem. § 85 Abs. 2 S. 2 ArbGG grds. von Amts wegen zuzustellen. Etwas anderes gilt gem. § 922 Abs. 3 ZPO nur, wenn der Antrag zurückgewiesen wurde. Mit der von Amts wegen erfolgten Zustellung einer Unterlassungsverfügung ist diese i.S.d. § 929 Abs. 2 ZPO auch vollzogen (so die ganz herrschende Meinung, u.a. LAG Berlin v. 12.11.2003 – 3 Ta 2142/03, DB 2003, 2796 = LAGE § 85 ArbGG 1979 Nr. 6; LAG Hamm v. 7.8.1987 – 8 Sa 1369/86, NZA 1987, 825).
Rz. 83
Ist der Antrag ohne mündliche Verhandlung abgewiesen worden, ist hiergegen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 567 ZPO gegeben (LAG Hessen v. 30.4.1992 – 12 TaBVGa 38/92, BB 1992, 2511 = NZA 1993, 816). Hat das Verfügungsgericht die einstweilige Verfügung ohne mündliche Anhörung erlassen, besteht für den Antragsgegner die Möglichkeit, gem. § 924 ZPO Widerspruch einzulegen. Das Verfügungsgericht entscheidet über diesen Widerspruch nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss, § 925 ZPO, § 84 ArbGG.
Rz. 84
Ist über den Antrag nach mündlicher Verhandlung entschieden worden, kann gegen den Beschl. gem. § 87 Abs. 1 ArbGG Beschwerde beim LAG eingelegt werden.
Rz. 85
§ 85 Abs. 2 S. 2 ArbGG bestimmt, dass der Anspruch auf Schadensersatz nach § 945 ZPO ausgeschlossen ist, auch wenn die Anordnung der einstweiligen...