Rz. 13
Für den Erlass einstweiliger Verfügungen ist gem. § 937 Abs. 1 ZPO das Gericht der Hauptsache, mithin das ArbG zuständig (vgl. auch Rdn 5).
Rz. 14
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat drei Voraussetzungen:
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Verfügungsanspruch, |
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Verfügungsgrund, |
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Glaubhaftmachung. |
Rz. 15
Es ist zu differenzieren nach dem im einzelnen Verfügungsverfahren verfolgten Zweck. Zu unterscheiden ist zwischen der
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Sicherungsverfügung gem. § 935 ZPO, |
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Regelungsverfügung gem. § 940 ZPO und |
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Leistungsverfügung, welche es nur in Ausnahmefällen gestattet, schon die (teilweise) Befriedigung des Gläubigers durchzuführen. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller auf die sofortige Erfüllung so dringend angewiesen ist, dass er ein ordentliches Verfahren nicht abwarten kann, ohne unverhältnismäßig großen, gar irreparablen Schaden zu erleiden (LAG Düsseldorf v. 17.11.2010 – 12 SaGa 19/10). |
Rz. 16
Im Zivilprozess kann die gerichtliche Entscheidung gem. § 937 Abs. 2 ZPO in dringenden Fällen sowie für den Fall, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen. Diese Vorschrift wird für das arbeitsgerichtliche Verfahren durch die Sonderregelung in § 62 Abs. 2 S. 2 ArbGG verdrängt. Danach kann die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in dringenden Fällen auch dann, wenn der Antrag zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen. Das bedeutet, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch im Fall einer Zurückweisung auf eine mündliche Verhandlung nur in dringenden Fällen verzichtet werden darf (LAG Hamburg v. 18.7.2002 – 3 Ta 18/02, DB 2002, 2003 = NZA-RR 2003, 104; LAG Nürnberg v. 27.4.1998 – 5 Ta 42/98, NZA-RR 1998, 563; LAG Sachsen v. 8.4.1997 – 1 Ta 89/97, NZA 1998, 223 = MDR 1997, 855).
Rz. 17
Bzgl. der Rechtsmittel sowie der Vollziehung bei einer Leistungsverfügung vgl. die vorstehenden Ausführungen zum Arrest (s. Rdn 4 ff.).
Rz. 18
Bei folgenden Fallgruppen kommt eine Durchsetzung von Ansprüchen im einstweiligen Verfügungsverfahren im Urteilsverfahren in Betracht:
1. Arbeitspapiere
Rz. 19
In der Praxis recht häufig ist der Fall, dass ein Arbeitnehmer anlässlich des Antrittes eines neuen Arbeitsverhältnisses die erforderlichen Arbeitspapiere (Lohnsteuerkarte, Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB III, SVN; allgemein zu den Arbeitspapieren s. § 32 Rdn 2 ff.) beim neuen Arbeitgeber nicht vorlegen kann, da der alte Arbeitgeber mit der Ausstellung oder Übergabe der Papiere säumig ist.
Rz. 20
Bei der Klage hinsichtlich der Arbeitsbescheinigung ist zunächst zu bedenken, dass ausschließlich der Anspruch auf Ausfüllen und Herausgabe der Arbeitsbescheinigung vor den ArbGen geltend gemacht werden kann, wohingegen der Anspruch auf Berichtigung einer falsch ausgestellten Arbeitsbescheinigung der Zuständigkeit der SG unterfällt (vgl. BAG v. 13.7.1988 – 5 AZR 467/87, NZA 1989, 321 = DB 1989, 587). Gleiches ist bei falschen Angaben in der Lohnsteuerbescheinigung zu bedenken, hier sind die FG zuständig (BAG v. 11.6.2003 – 5 AZB 1/03, NZA 2003, 877 = DB 2003, 2132).
Rz. 21
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf die Herausgabe der Arbeitspapiere zu, der Arbeitgeber kann sich nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen (BAG v. 20.12.1958 – 2 AZR 336/56, DB 1959, 175 = BB 1959, 197), sodass ein Verfügungsanspruch regelmäßig vorliegen wird.
Rz. 22
I.R.d. Verfügungsgrundes hat der Arbeitnehmer glaubhaft zu machen, dass er die Arbeitspapiere für seine neue Arbeitsstelle benötigt (LAG Berlin v. 3.12.2001 – 19 Ta 2126/01, ZTR 2002, 192). Dem Arbeitnehmer drohen konkrete, im Einzelfall durchaus nicht wieder auszugleichende Nachteile, wenn der neue Arbeitgeber die Aufnahme des Arbeitsverhältnisses ohne Vorlage der Papiere ablehnt. Sofern aufgrund der fehlenden Herausgabe der Lohnsteuerkarte jedoch die Aufnahme des Arbeitsverhältnisses durch den neuen Arbeitgeber nicht abgelehnt wird, sondern lediglich die Lohnsteuer nach der ungünstigen Steuerklasse 6 abgerechnet wird, kann dem Arbeitnehmer eine Geltendmachung des Schadens im Hauptsacheverfahren zugemutet werden (ebenso Reinhard/Kliemt, NZA 2005, 545, 553; a.A. Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz, I Rn 270).
Rz. 23
Nicht im Wege der einstweiligen Verfügung kann der Arbeitnehmer die Herausgabe des Versicherungsnachweisheftes verlangen. Es liegt kein Verfügungsgrund vor, da der neue Arbeitgeber dieses von der Sozialversicherung anfordern kann.
2. Arbeitsentgelt
Rz. 24
Lohn- und Gehaltsansprüche können nach allgemeiner Meinung im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden (vgl. LAG Hamburg v. 6.5.1986 – 1 Ta 7/86, DB 1986, 1629 = LAGE § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 15; Vossen, RdA 1991, 216).
Rz. 25
Eine einstweilige Verfügung gegen den Arbeitgeber auf Auszahlung von Lohnansprüchen (zum Arbeitsentgelt s. § 17 Rdn 309 ff.) führt zu einer Befriedigung des Gläubigers. Aus diesem Grund sind an den Verfügungsgrund hohe Anforderungen zu stellen (LAG Hessen v. 9.7.1995 – 13 Ta 242/95, DB 1996,...