I. Polizeiflucht
Rz. 38
Zwar ist in der Regel davon auszugehen, dass der Täter eine Gefährdung der Polizeibeamten, nicht aber deren Tötung in Kauf nimmt (BGH NZV 2014, 345). Der BGH bejaht in bestimmten Konstellationen nicht einmal einen "Beinnaheunfall" (BGH NZV 2016, 345; STV 18, 429). Dennoch ist je nach den Umständen des Einzelfalles zumindest ein Eventualvorsatz nicht auszuschließen, wobei beim Einsatz eines Pkws als Werkzeug das Mordmerkmal "mit gemeingefährlichen Mitteln" erfüllt sein kann (BGH DAR 2007, 526; zfs 2019, 235). Benutzt der Täter bei der Flucht vor der Polizei die Gegenfahrbahn und wird dabei ein entgegenkommender Fahrer tödlich verletzt, ist von vorsätzlicher ("dolus eventualis") Tötung auszugehen (BGH zfs 2019, 235).
Rz. 39
Zum Tötungsvorsatz beim Durchbrechen einer Polizeisperre bzw. beim Zufahren auf einen Polizeibeamten siehe BGH NZV 1992, 370; BGH NZV 2014, 345.
Rz. 40
Achtung
Es muss davon ausgegangen werden, dass der Täter i.d.R. zwar eine Gefährdung der Polizeibeamten, nicht aber deren Tötung in Kauf nimmt (BGH DAR 1996, 151; BGH NZV 2014, 345).
II. Geisterfahrer in Selbstmordabsicht
Rz. 41
Derjenige, der in Selbstmordabsicht eine Geisterfahrt begeht, ist im Falle der Tötung eines anderen Verkehrsteilnehmers des Mordes begangen durch das Merkmal Heimtücke schuldig (BGH DAR 2006, 398).
III. Abrupter Spurwechsel bei hoher Geschwindigkeit
Rz. 42
Derjenige, der trotz hoher Geschwindigkeit absichtlich einen abrupten Spurwechsel in der Nähe anderer Verkehrsteilnehmer vornimmt, handelt mit bedingtem Tötungsvorsatz (BGH DAR 2006, 284; StV 2018, 4126), wobei sich Verdeckungsabsicht und bedingter Vorsatz nicht gegenseitig ausschließen.
IV. Illegales Autorennen
Rz. 43
Auch eine Eigengefährdung schließt bedingten Tötungsvorsatz nicht aus (LG Berlin NStZ 2017, 471). Allerdings bedarf eine Verurteilung in diesen Fällen einer eingehenden Begründung (BGH, Urt. v. 1.3.2018 – 4 StR 399/17; zfs 2019, 235). Vor allem muss sich das Gericht mit der Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit befassen (BGH DAR 2018, 377), wobei ihm insoweit eine besondere Aufklärungspflicht obliegt (BGH DAR 2018, 380).
V. Manipulationen an den Bremsen
Rz. 44
Von bedingtem Tötungsvorsatz kann auch bei der Manipulation an den Bremsen eines Fahrzeuges ausgegangen werden (BGH DAR 2006, 398).
VI. Vorsätzliches Anfahren eines Fußgängers
Rz. 45
Bei einer gefährlichen Gewaltanwendung wird es zwar nahe liegen, dass der Täter auch mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, und er diesen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung ist jedoch auch immer die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Täter jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg würde nicht eintreten. Eine Verurteilung wegen Totschlags setzt daher eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände voraus, z.B. die Feststellung der Entfernung, aus der der Angeklagte anfuhr, oder die Geschwindigkeit u.Ä. (BGH NZV 2000, 88).
VII. Mitschleifen
Rz. 46
Zum Tötungsvorsatz, wenn eine Person von dem Fahrzeug mitgeschleift wird: BGH NZV 1993, 237.
VIII. Unfallflucht
Rz. 47
Lässt der Fahrer das Unfallopfer mit schweren Verletzungen zurück, obwohl er Hilfe noch für möglich hält, ist eine Verurteilung wegen Totschlags oder gar Mordes denkbar (BGH DAR 1992, 105). Eine solche Verurteilung ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn der Täter glaubte, eine Rettung sei nicht mehr möglich bzw. sie werde von Dritten gewährt (BGH DAR 1993, 197).