A. Fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB
Rz. 1
Im Falle einer bloß fahrlässigen Körperverletzung kommt eine Freiheitsstrafe regelmäßig nicht in Betracht. Ausnahmen sind nur für extreme Sonderfälle denkbar, so z.B. bei außergewöhnlich hohem Verschulden (z.B. bewusster Fahrlässigkeit) und schwersten Verletzungen mit Dauerfolgen wie einer Querschnittslähmung. Bei durchschnittlicher Fahrlässigkeit und mittleren Verletzungen ist mit 15–20 Tagessätzen, bei schwererem Verschulden bis zu 50 Tagessätzen zu rechnen.
B. Fahrlässige Tötung, § 222 StGB
Rz. 2
Bis zu einem mittleren Verschuldensgrad wird eine Freiheitsstrafe i.d.R. nicht verhängt. Die Geldstrafe beläuft sich auf 120–180 Tagessätze (und wird damit in das polizeiliche Führungszeugnis aufgenommen).
Rz. 3
Tipp
Zur Bestrafung von Fahrlässigkeitsdelikten mit schweren Tatfolgen siehe OLG Karlsruhe NZV 1996, 416; OLG Karlsruhe NZV 2005, 274; OLG Hamm NZV 2015, 44.
Rz. 4
Bei einem Unfall mit besonders schweren, insbesondere tödlichen Unfallfolgen kommt die Vollstreckung einer verhängten Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zur Verteidigung der Rechtsordnung gem. § 56 Abs. 3 StGB dann in Betracht, wenn der Unfall Folge eines besonders groben und rücksichtslosen Verkehrsverstoßes (OLG Hamm NZV 2015, 44; Beschl. v. 23.3.2017 – 4 RVs 33/17; insbesondere im Falle des Rasens: BGH VRR 2017 Nr. 8, 3) war.
Die falsche Einschätzung einer Verkehrssituation oder die bloße Überschätzung der eigenen Fähigkeiten im Umgang mit einem Kraftfahrzeug genügt hierfür ohne Hinzutreten weiterer Umstände jedoch nicht (OLG Karlsruhe DAR 2003, 325), es sei denn, der Verkehrsverstoß beruhte nicht auf einem einmaligen Versagen, sondern auf einer verkehrsfeindlichen und aus eigennützigen Beweggründen geprägten Motivation (OLG Karlsruhe zfs 2008, 349).
Wenn der Unfall auf Übermüdung zurückzuführen ist, ist grundsätzlich eine über einem Jahr liegende (und dann nicht mehr zur Bewährung auszusetzende, LG Münster, Urt. v. 15.11.2016 – 5 Ns – 30 Js 8/16 – 108/16, juris) Freiheitsstrafe nicht ausgeschlossen.
Auch nach Auffassung des BayObLG (DAR 2003, 527) soll hier – wenn der Unfall auf Übermüdung zurückzuführen ist – eine über einem Jahr liegende Freiheitsstrafe grundsätzlich nicht ausgeschlossen sein, wenn es auch jeweils immer auf den Einzelfall ankommt.
C. Folgenlose bzw. höchstens mittelschwere Verletzungen verursachende Trunkenheits- oder Drogenfahrt (§§ 316, 315c StGB)
I. Ersttäter
Rz. 5
Hier kommt regelmäßig eine kurzfristige Freiheitsstrafe noch nicht in Betracht. Wird in einem extremen Einzelfall ausnahmsweise doch eine Freiheitsstrafe verhängt, wird sie i.d.R. weniger als ein Jahr betragen und zur Bewährung ausgesetzt werden.
II. Wiederholungstäter
1. Verwertung von Voreintragungen
Rz. 6
Strafrechtliche Verurteilungen, die einer 10-jährigen Tilgungsfrist unterliegen (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 StVG), dürfen nach einer Frist von fünf Jahren nur noch für Verfahren verwertet werden, die die Eignung oder Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. Maßnahmen nach dem Fahreignungsbewertungssystem (§ 4 Abs. 5 StVG) zum Gegenstand haben, nicht aber für die Strafzumessung (OLG München zfs 2008, 210; OLG Celle NZV 2009, 570).
Rz. 7
Soweit das Gericht auf Vorbelastungen abstellt, muss es diese im Urteil so genau mitteilen, dass dem Revisionsgericht die Nachprüfung ermöglicht wird, ob die Vorverurteilungen im Hinblick auf ihre Bedeutung und Schwere für den Strafausspruch richtig bewertet worden sind. Hierzu bedarf es i.d.R. einer zwar knappen, aber noch aussagekräftigen Feststellung der den Vorverurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte (OLG Nürnberg zfs 2006, 288).
2. Bewährungsstrafen im Falle einer Wiederholungstat
Rz. 8
Gegen Wiederholungstäter wird üblicherweise eine kurzfristige und zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe verhängt (Tabellen siehe § 58 Rdn 21 ff.), obwohl nicht jeder Rückfall eine Freiheitsstrafe nötig macht (OLG Düsseldorf NZV 1997, 46). Eine unter sechs Monaten liegende Freiheitsstrafe ist ohnehin nur im Ausnahmefall zulässig (BayObLG DAR 1992, 184; OLG Düsseldorf NZV 1997, 46), zumal nach § 47 Abs. 1 StGB grundsätzlich der Vorrang der Geldstrafe gilt.
Deshalb ist auch im Falle einschlägiger Vorstrafen vor allem bei der Verhängung von unter sechs Monaten liegenden Freiheitsstrafen zu prüfen, ob eine Freiheitsstrafe tatsächlich unerlässlich ist (BGH StV 1994, 370; OLG Hamm VRS 97, 410). Diese Individualprüfung muss selbst bei mehrfachem Rückfall vorgenommen werden, vor allem dann, wenn längere Intervalle (hier drei Jahre) zwischen den Taten liegen (OLG Schleswig NJW 1982, 1116; BayObLG DAR 1992, 184).
Rz. 9
Sogar im Falle relativ schneller Rückfallgeschwindigkeit ist eine eingehende Würdigung der Täterpersönlichkeit erforderlich. Unerlässlich ist eine Freiheitsstrafe nämlich nur dann, wenn eine andere schuldangemessene Sanktion (wie z.B. eine hohe Geldstrafe) nicht ausreicht und wenn auf eine Freiheitsstrafe nicht verzichtet werden kann (OLG Düsseldorf NZV 1997, 46).
Rz. 10
Achtung: Rückfall in Bewährungszeit
Hat ein Angeklagter noch in der Bewährungszeit eine erneute Alkoholfahrt begangen, kann dies für den Tatrichter einen ausreichenden Grund für eine negative Sozialprognose i.S.d. § 55 Abs. 1 S. 1 StGB darstellen, so dass gar nicht mehr erörtert zu werden braucht, ob die Vollstreckung der ausgesprochenen Ge...