Rz. 151
Voraussetzung einer Vollstreckung ist, dass der dem Vollstreckungsakt zugrunde liegende Titel Art und Umfang der dem Schuldner obliegenden Verpflichtung eindeutig erkennen lässt. Da in der Praxis häufig die konkrete Verletzungsform mit in den Tenor aufgenommen wird, stellt weniger die Frage der Bestimmtheit des dem Schuldner obliegenden Ge-/Verbotes ein Problem dar, als vielmehr der gerade umgekehrte Fall, nämlich ob eine leicht von der tenorierten Verpflichtung abweichende Handlung von dieser noch umfasst wird. In der Praxis hat sich für diese Fälle die so genannte "Kerntheorie" durchgesetzt, nach der der Verbotsumfang nicht auf die konkret tenorierte Verletzungsform beschränkt ist, sondern auch verallgemeinernd solche Handlungen umfasst, die von der Verbotsform nur unbedeutend abweichen und somit schon (implizit) Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren waren, sofern darin das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt.
Die Frage, ob ein neuer Verstoß unter die "Kerntheorie" fällt und daher vom Verbotsumfang einer zuvor erlangten einstweiligen Verfügung umfasst ist, kann den Verletzten nicht selten in eine schwierige Lage versetzen: Ist er der Auffassung, bei dem neuen Verstoß handele es sich um einen Vorfall, der nicht vom Verfügungstenor gedeckt ist, so ist er – schon aus Dringlichkeitsgesichtspunkten – gehalten, einen erneuten Verfügungsantrag einzureichen. Ist das Gericht dann aber anderer Auffassung und verweist den Verletzten auf die bereits erwirkte einstweilige Verfügung, so unterliegt er in dem erneuten Verfügungsverfahren kostenpflichtig. Umgekehrt kann den erneut Verletzten bei der Einleitung eines Ordnungsmittelverfahrens die Auffassung des Gerichtes, der nunmehr gerügte Verstoß falle nicht unter den Tenor der zuvor erwirkten einstweiligen Verfügung, erheblich treffen, insbesondere, wenn – was der Regelfall sein dürfte – die Einleitung des an sich dann erforderlich werdenden "zweiten" Verfügungsverfahrens aus Dringlichkeitsgesichtspunkten ausscheidet. Die Auffassung, in solchen Zweifelsfällen seien beide Verfahren parallel zulässig, ist eine Mindermeinung geblieben. Nach der herrschenden Meinung steht einer solchen "Doppelverfolgung" der Einwand der res judicata entgegen.
Gegenstand des Ordnungsmittelverfahrens ist daneben auch die Frage, ob der Schuldner alles getan hat, um einen fortdauernden Störungszustand zu beseitigen. Ist einem Schuldner beispielsweise untersagt worden, bestimmte Auslobungen zu verwenden, hat er dafür zu sorgen, dass das Produkt von seinen Abnehmern nicht weiter vertrieben wird. Voraussetzung einer solchen Rückrufpflicht ist allerdings die Zumutbarkeit, zu der schon im Erkenntnisverfahren vorgetragen werden muss.