I. Auslegung des Rechtsbehelfsbegehrens
Rz. 28
Erklärungen im Widerspruchsverfahren sind wie Prozesserklärungen entsprechend den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden allgemeinen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) auszulegen. Danach gibt es kein Verbot, Willenserklärungen zugunsten eines Verfahrensbeteiligten erfolgsorientiert auszulegen.
Rz. 29
Eine falsche Bezeichnung als "Einspruch", "Beschwerde", "Aufsichtsbeschwerde" schadet nicht. Entscheidend ist das vom Bürger Gewollte. Bei der Auslegung ist abzugrenzen von anderen nichtförmlichen Rechtsbehelfen.
Rz. 30
Bei der Gegenvorstellung richtet sich der Bürger an die Stelle, die über den beanstandeten Vorgang entschieden hat, und strebt die Aufhebung, Änderung oder den Erlass einer Maßnahme an. Die Ausgangsbehörde wird formlos um erneute Sachentscheidung gebeten.
Rz. 31
Bei einer Fachaufsichtsbeschwerde verfolgt der Beschwerdeführer die sachliche Überprüfung der angegriffenen Entscheidung. Er wendet sich an die (übergeordnete) Fachaufsichtsbehörde mit dem Ziel, eine Weisung an die zuständige Behörde zu erreichen.
Rz. 32
Bei der Dienstaufsichtsbeschwerde rügt der Bürger ausschließlich das persönliche Verhalten des Bediensteten, also die Art und Weise von dessen Tätigwerden, ohne die Sachentscheidung anzugreifen. Er verlangt eine dienstrechtliche Maßnahme des Dienstvorgesetzten. Der Beschwerdeführer muss sich an die Dienstaufsichtsbehörde wenden.
Rz. 33
Denkbar ist auch, dass sowohl Widerspruch als auch ein anderer nichtförmlicher Rechtsbehelf eingelegt werden. Dies wird man z.B. dann annehmen, wenn neben der Sachentscheidung gleichzeitig das persönliche Verhalten des Amtswalters gerügt werden soll (also auch Dienstaufsichtsbeschwerde).
Rz. 34
Wendet sich der Bürger gegen einen VA, so wird im Zweifel die Einlegung eines Widerspruchs anzunehmen sein, da dies der weitergehende und "stärkere" Rechtsbehelf ist, zumal durch ihn grundsätzlich die spätere Möglichkeit einer Klage eröffnet wird.
Rz. 35
Der Widerspruch bedarf keines förmlichen Antrages und insbesondere auch keiner Begründung. Ein VA, der dies in seiner Rechtsbehelfsbelehrung dennoch verlangt, ist fehlerhaft i.S.d. § 58 Abs. 2 VwGO.
Rz. 36
Die Nachprüfung im Widerspruchsverfahren erfolgt nur im Umfang der Anfechtung; eine Beschränkung des Rechtsbehelfs ist zulässig (Teilanfechtung).
II. Zuständigkeit zur Entscheidung über den Widerspruch; zuständige Widerspruchsbehörde
Rz. 37
Die Frage der Zuständigkeit spielt nicht nur im Rahmen der Zulässigkeit des Widerspruchs, sondern unter Umständen auch bei Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns eine Rolle. In der Zulässigkeitsprüfung kann sie darüber hinaus vor allem auch bei der "ordnungsgemäßen Widerspruchserhebung" von Bedeutung sein, wenn § 70 Abs. 1 S. 2 VwGO vorsieht, dass der Widerspruch auch bei der Behörde eingelegt werden kann, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat. Wurde der Widerspruch also bei einer anderen als der Erlassbehörde eingelegt, so handelt es sich nur dann um eine ordnungsgemäße Widerspruchseinlegung, wenn dies die Widerspruchsbehörde ist. Ist dies aber nicht der Fall, so wurde der Widerspruch bei der unzuständigen Behörde eingelegt. Zwar ist in einem solchen Fall der Widerspruch unverzüglich an die zuständige Behörde weiterzuleiten. Mittlerweile kann aber die Widerspruchsfrist verstrichen sein.
Rz. 38
Wegen ihres "Doppelcharakters" wird angeraten, die Prüfung der Zuständigkeit vor den "Zulässigkeitsvoraussetzungen im eigentlichen Sinne" vorzunehmen. Im Widerspruchsbescheid wird die Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde üblicherweise als Erstes erörtert.
III. Verwaltungsrechtsweg
1. Spezial-/Sonderzuweisungen
Rz. 39
Spezial-/Sonderzuweisungen ("aufdrängende Sonderzuweisung") enthalten z.B. § 54 BeamtenstatusG, der die Regelung des § 126 BRRG übernimmt; § 82 SoldG.
2. §§ 68, 40 Abs. 1 VwGO analog
Rz. 40
Die Voraussetzungen sind: