Rz. 6

Bei gesetzlich normiertem Wegfall des Widerspruchsverfahrens fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines – kostenpflichtigen – Widerspruchsbescheids. Die gegen einen solchen Widerspruchsbescheid gerichtete Klage ist begründet. Der Widerspruchsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheids folgt bereits daraus, dass die Behörde (im Fall: nach Nr. 3.3 bzw. Nr. 2.3 der Anlage zu § 16a HessAGVwGO) nicht befugt war, einen derartigen kostenpflichtigen Widerspruchsbescheid zu erlassen, weil bei Entscheidungen (im Fall: aufgrund des Hessischen Meldegesetzes) nach dieser Regelung ein Widerspruchsverfahren nicht stattfindet. Damit fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines Widerspruchsbescheides und erst recht an einer Ermächtigungsgrundlage zur Festsetzung von Verwaltungskosten für das Widerspruchsverfahren. Insoweit erweist sich der Widerspruchsbescheid als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten mit der Folge, dass er, auch zur Klarstellung, insgesamt aufzuheben ist.[17]

 

Rz. 7

Überall dort, wo das Vorverfahren vorgesehen ist gilt:

Im Fahrerlaubnisrecht ist sowohl der Anfechtungswiderspruch (z.B. gegen die Entziehung der FE oder z.B. gegen die Anordnung eines Fahrtenbuchs) als auch der Verpflichtungswiderspruch (auf Wieder- bzw. Neu-Erteilung der FE) denkbar. Auch im Zusammenhang mit Verkehrszeichen sind je nach dem Ziel des Widerspruchsführers sowohl Anfechtungs- (gegen ein Gebots- oder Verbotszeichen) als auch Verpflichtungswiderspruch (auf Aufstellung eines entsprechenden Zeichens) denkbar.

 

Rz. 8

Sowohl der Anfechtungswiderspruch (§ 68 Abs. 1 VwGO) als auch der Verpflichtungswiderspruch (§ 68 Abs. 2 VwGO) stellen einen außergerichtlichen Rechtsbehelf dar, der den Rechtsschutz des Bürgers erweitert, die Entlastung der Gerichte herbeiführt und nicht zuletzt auch der Verwaltung eine Selbstkontrolle bieten soll. Rechtsgrundlagen für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens sind die §§ 68 ff. VwGO, die landesrechtlichen Ausführungsgesetze zur VwGO, subsidiär die Regelungen der Landesverwaltungsverfahrensgesetze (LVwVfG) sowie landesrechtliche Regelungen über die Festsetzung der Gebühren im Widerspruchsverfahren.[18]

 

Rz. 9

Grundsätzlich haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 S. 1 VwGO). Nach der in der Rechtsprechung ganz überwiegend vertretenen Auffassung führt die aufschiebende Wirkung lediglich zu einer Hemmung der Vollziehbarkeit des angefochtenen VA im Sinne eines Verwirklichungs- und Ausnutzungsverbotes.[19]

 

Rz. 10

Diese aufschiebende Wirkung entfällt nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–4 VwGO nur:

bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen und
in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
 

Rz. 11

Gemäß § 80b VwGO endet die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage nicht nur mit der Unanfechtbarkeit, sondern auch drei Monate nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist, wenn die Anfechtungsklage in der ersten Instanz abgewiesen worden ist. Im Einzelfall kann das OVG nach § 80b Abs. 2 VwGO die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung anordnen.

 

Rz. 12

Das Widerspruchsverfahren beginnt mit der Erhebung des Widerspruchs (§ 69 VwGO), wobei der Widerspruch bei der Erlassbehörde einzulegen ist. Die Widerspruchsfrist wird auch gewahrt, wenn der Widerspruch bei der Widerspruchsbehörde eingelegt wird (§ 70 Abs. 1 VwGO).[20] Im Rahmen des sog. Abhilfeverfahrens (§ 72 VwGO) überprüft die Erlassbehörde, ob sie dem Widerspruch ganz oder auch nur teilweise abhelfen kann. Hält sie den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.[21] Die Nichtabhilfeentscheidung ist – sieht man vom Fall der Identität von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde ab – grundsätzlich zwingende Voraussetzung für die Entscheidung der Widerspruchsbehörde.[22]

 

Rz. 13

Auch bei zulässigem und begründetem Widerspruch hat die Ausgangsbehörde die Wahl, den angegriffenen VA durch einen Rücknahmebescheid statt durch eine Abhilfeentscheidung aufzuheben. Die Ausgangsbehörde darf in diesem Fall den Widerspruchsführer, der im Widerspruchsverfahren "obsiegt" hätte, jedoch nicht ohne tragfähigen Grund um den zu erwartenden Kostenausspruch bringen. Sich nur der Kostenlast zu entziehen ist kein tragfähiger Grund.[23]

 

Rz. 14

Gemäß § 185 Abs. 2 VwGO können die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Schleswig-Holstein Abweichungen von § 73 Abs. 1 S. 2 VwGO zulassen. § 73 Abs. 2 S. 1 VwGO lässt darüber hinaus Vorschriften, nach denen im Vorve...

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