1. Von Amts wegen
Rz. 57
Sind die Anordnungsvoraussetzungen weggefallen, ist die vorläufige Entziehung von Amts wegen aufzuheben.
Rz. 58
Deshalb sind sowohl Staatsanwaltschaft als auch Gericht – auch ohne Tätigwerden des Betroffenen – in jedem Stadium des Verfahrens zur Prüfung der Frage verpflichtet, ob die Voraussetzungen der Anordnungen noch vorliegen (OLG Frankfurt NJW 1981, 1680).
2. Nicht zwingend bei Fristablauf
Rz. 59
Nach h.M. rechtfertigt der bloße Ablauf der vom Vorderrichter festgesetzten Sperrfrist während eines Rechtsmittelverfahrens für sich grundsätzlich nicht die Aufhebung der Sperre (OLG Koblenz BA 1985, 183; NZV 2008, 47; OLG Düsseldorf DAR 1990, 355; DAR 1999, 324), wobei die Begründung des OLG Düsseldorf, bei Berufungseinlegung sei mit länger dauernder Fahrerlaubnismaßnahme zu rechnen, auf Unbehagen stoßen muss.
Rz. 60
Achtung: Ablehnung muss hinreichend begründet sein
Die vorstehend zitierte Rechtsprechung kann mit ihrer Begründung nicht überzeugen. Richtig ist zwar, dass der bloße Zeitablauf nicht die Annahme rechtfertigen kann, die endgültige Entziehung im Urteil werde unterbleiben; indessen ist es nicht der Zeitablauf, der zum Wegfall des charakterlichen Mangels führt, sondern die von dem Zeitablauf auf den Täter ausgehende Wirkung.
Das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verbietet nun aber eine Maßregel über den Zeitpunkt hinaus, in dem ihr Zweck erreicht ist, aufrechtzuerhalten. Sie muss deshalb aufgehoben werden, wenn der Eignungsmangel nicht mehr festgestellt werden kann. Insbesondere dann, wenn die ursprünglich vorgesehene Entziehungsfrist bereits verstrichen ist, muss das Beschwerdegericht im konkreten Einzelfall und mit Fakten belegt, feststellen, dass die verflossene Zeit nicht genügte, um ausreichend auf den Täter einzuwirken. Der lapidare Hinweis darauf, dass der bloße Zeitablauf nicht zur Aufhebung des Entziehungsbeschlusses nötige, verkennt die wegen des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes dem Gericht obliegende Pflicht zu überprüfen, ob die zunächst alleine aus der Tatbegehung herzuleitende Vermutung der Ungeeignetheit auch noch nach so langer Zeit fortbesteht.
3. Tipp: Aufhebung zwingend
Rz. 61
Es wird aber auch die Auffassung vertreten, dass die vorläufige Entziehung aufzuheben sei, wenn während des Rechtsmittelverfahrens die im angegriffenen Urteil festgesetzte Sperrzeit abgelaufen ist (OLG Zweibrücken NJW 1977, 448; LG Zweibrücken zfs 2000, 510; OLG Hamm NZV 2002, 380).
4. Lange Verfahrensdauer
Rz. 62
Grundsätzlich muss auch das Berufungsgericht besonders sorgfältig prüfen, ob die Ungeeignetheit des Betroffenen noch fortbesteht. Dabei ist es selbstverständlich an die im erstinstanzlichen Urteil getroffene Prognose nicht gebunden (OLG München DAR 1977, 49). Namentlich muss die vorläufige Entziehung dann aufgehoben werden, wenn in der Berufungsverhandlung eine endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr zu erwarten ist (OLG Frankfurt zfs 1992, 319; LG Neuruppin StV 2004, 125), zumal die endgültige Entziehung zwingend die im Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch fortdauernde Ungeeignetheit des Täters voraussetzt (OLG Naumburg zfs 1999, 401). Eine Aufhebung der vorläufigen Entziehung kommt vor allem bei besonders langer Verfahrensdauer (OLG Düsseldorf zfs 1994, 18; LG Zweibrücken zfs 2000, 510; OLG Hamm zfs 2002, 199; LG München DAR 2014, 280) oder bei groben Verstößen gegen das Beschleunigungsgebot (LG Köln NZV 1991, 243; LG Zweibrücken DAR 1999, 517; BVerfG NZV 2005, 537) infrage, zumal mit fortschreitender Entzugsdauer das Beschleunigungsgebot und die Unschuldsvermutung immer größeres Gewicht gewinnt.
Das OLG Hamm (NZV 2007, 639) sieht die Aufrechterhaltung der vorläufigen Entziehung dagegen erst bei groben Pflichtverletzungen und erheblichen, von der Justiz zu vertretenden Verzögerungen als unzulässig an.