Dr. Olaf Riecke, Jan-Hendrik Schmidt
I. Typischer Sachverhalt
Rz. 57
Mitte Mai 2021 erscheint Verwalter V und schildert, dass ein Mitglied einer von ihm verwalteten Wohnungseigentumsanlage mit vier Wohngeldraten (Februar bis Mai 2021) in Verzug sei. Grundlage der Zahlungspflicht sei immer noch der Wirtschaftsplan für das Jahr 2020, weil Vorschüsse zur Kostentragung basierend auf einem neuen Wirtschaftsplan 2021 (noch) nicht beschlossen wurden. Er beauftragt den Rechtsanwalt mit der Geltendmachung dieser vier Raten und darüber hinaus des gesamten Restbetrages 2021 (Juni bis Dezember).
II. Checkliste: Wohngeld (Hausgeld)
Rz. 58
Bevor auf die rechtlichen Grundlagen eingegangen wird, soll zur besseren praktischen Verständlichkeit ein Kurzüberblick über die bei der Mandatserteilung ständig wiederkehrenden klärungsbedürftigen Fragen gegeben werden:
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In wessen Namen wird das Mandat erteilt? |
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Liegt die erforderliche Ermächtigung vor und woraus ergibt sie sich? |
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Ist der Wirtschaftsplan genehmigt? Gilt er für das Folgejahr fort? Wurden Gesamt- und Einzelwirtschaftsplan genehmigt? Genügt der Genehmigungsbeschluss dem Bestimmtheitsgrundsatz? |
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Führt der Verzug mit einzelnen Raten zur Fälligkeit des gesamten Jahresrestbetrages? |
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Kann jetzt schon ein Antrag auf künftige Leistung gestellt werden? |
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Liegen alle Unterlagen (Wirtschaftsplan, Beschlussprotokolle, Teilungserklärung, ggf. Verwaltervertrag) vor? |
III. Rechtliche Grundlagen
Rz. 59
Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat keine gesetzlich vorgeschriebene Mindesthaftungsmasse. Bei ihr haften im Außenverhältnis zu den Gläubigern jetzt abweichend von BGH ZMR 2005, 547 wegen § 10 Abs. 8 WEG a.F. = § 9a Abs. 4 WEG n.F. sämtliche Wohnungseigentümer, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs der Gemeinschaft angehören, unmittelbar persönlich, aber nur pro rata in Höhe der Größe ihres Miteigentumsanteils mit ihrem jeweiligen Privatvermögen. Da bei einem zum Verwalter bestellten Nichtmitglied ein Fremdorgan befugt und imstande ist, diese begrenzte Haftung auszulösen, nimmt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer insoweit eine Sonderstellung unter den Personenmehrheiten ein. Andererseits sieht das Gesetz in § 28 WEG ein selbstständiges, d.h. von den Außenverbindlichkeiten zunächst unabhängiges Rechnungs- und Finanzwesen vor. Anders als bei der einfachen Bruchteilsgemeinschaft i.S.d. §§ 741 ff. BGB, bei der Kosten und Lasten direkt auf die Teilhaber umgelegt werden (vgl. § 748 BGB), werden jedenfalls in einer finanziell intakten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Ansprüche zunächst aus der Gemeinschaftskasse entnommen und später in den (Einzel-)Abrechnungen entsprechend dem zur jeweiligen Kostenposition maßgeblichen Kostenverteilungsschlüssel auf alle Mitglieder umgelegt. Gläubiger sehen bei einer werthaltigen Gemeinschaftskasse also von einer unmittelbaren Inanspruchnahme eines oder einzelner Wohnungseigentümer ab.
Rz. 60
Im Innenverhältnis setzt die Entstehung von Beitragsforderungen der Gemeinschaft gegen die einzelnen Wohnungseigentümer die Beschlussfassung über die Vorschüsse zur Kostentragung basierend auf Wirtschaftsplan (nebst Sonderumlagen) oder Jahresabrechnung voraus, die vom Verwalter zu erstellen und der Gemeinschaft vorzulegen ist. Die erforderliche Beschlusskompetenz für die Vorschüsse oder die Einforderung von Nachschüssen zur Kostentragung basierend auf Wirtschaftsplänen, Sonderumlagen und Jahresabrechnungen folgt aus § 28 WEG, der insoweit für die finanzielle Verwaltung lex specialis zu § 21 Abs. 3 WEG a.F. bzw. § 19 Abs. 1 WEG n.F. ist. Erst durch die Beschlussfassung werden die entsprechenden Zahlungspflichten der einzelnen Wohnungseigentümer begründet. Fälligkeitszeitpunkte (vgl. § 28 Abs. 3 WEG n.F.) können ebenfalls im Beschluss bestimmt werden, beim Wirtschaftsplan z.B. in gleichen Monatsraten jeweils zum 3. Werktag. Fällige Wohngeldrückstände sind außergerichtlich und notfalls gerichtlich durchzusetzen im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als rechtsfähigem Verband. Eine Prozesssta...