Dr. Olaf Riecke, Jan-Hendrik Schmidt
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 44
Verwalter V ist als WEG-Verwalter der WEG XY bestellt. Der Verwaltervertrag ist auf fünf Jahre abgeschlossen, von denen erst zwei verstrichen sind, und seine vorzeitige Beendigung ebenso wie (laut TE) die Abberufung ist auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt. Auf der letzten Eigentümerversammlung beschlossen die Eigentümer mit 20 zu 5 Stimmen die sofortige Absetzung von V, weil er entgegen der TE die Jahresabrechnung des Vorjahres nicht in der ersten Jahreshälfte erstellt habe und somit ein wichtiger Grund gegeben sei. Entsprechend diesem Abstimmungsergebnis stellte V das gleich lautende Beschlussergebnis fest. V wendet sich gegen den Vorwurf und möchte insbesondere die materiellen Voraussetzungen der fristlosen Kündigung gerichtlich überprüfen lassen.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 45
Nach der in Anlehnung an andere privatrechtliche Personenverbände inzwischen auch im Wohnungseigentumsrecht herrschenden sog. Trennungstheorie (im engeren Sinne) ist bei der Verwalterbestellung zwischen dem organschaftlichen Bestellungsakt (§ 26 Abs. 1 WEG) und dem schuldrechtlichen Anstellungsvertrag (§ 675 BGB) zu unterscheiden. Entgegen der früher herrschenden Vertragstheorie, die sich vor allem darauf stützte, die Aufbürdung von Pflichten könne nur per Vertrag erfolgen, setzt die wirksame Verwalterbestellung demnach nicht den Abschluss eines Verwaltervertrages voraus. Vielmehr erlangt der Verwalter allein durch die wirksame Bestellung und die Bereitschaft, das Amt anzunehmen, nicht nur die sich aus den §§ 24, 25, 27, 28 WEG ergebenden Aufgaben und Befugnisse, sondern auch die Pflicht, diese Aufgaben wahrzunehmen. Freilich ist es im Einzelfall möglich, im Beschluss über die Bestellung zugleich ein Angebot auf Abschluss eines Verwaltervertrages zu sehen, insbesondere dann, wenn ein Vertragsentwurf der Versammlung bereits vorliegt.
Rz. 46
Umgekehrt entzieht bereits das Ende der Bestellung, etwa durch Abberufung (§ 26 Abs. 1 WEG), Amtsniederlegung oder Zeitablauf (§ 26 Abs. 2 WEG), dem Verwalter diese Aufgaben und Befugnisse wieder. Ausreichender Schutz wird ihm dadurch gewährt, dass er der Bestellung zustimmen muss, da niemand gegen seinen Willen in ein privates Amt gehoben werden kann. Gegen eine aus seiner Sicht unberechtigte Abberufung konnte er sich im Wege der sog. Funktionärsanfechtung i.S.d. § 43 Nr. 4 WEG a.F. bis 30.11.2020 gerichtlich zur Wehr setzen. Die materielle Berechtigung der in der Abberufung grundsätzlich enthaltenen Kündigung des Verwaltervertrages in Form eines positiven Beschlusses konnte der Verwalter im Feststellungsverfahren nach § 43 Nr. 3 WEG a.F. i.V.m. § 256 Abs. 1 ZPO bis 30.11.2020 überprüfen lassen. Richtiger Beklagter war insoweit die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft, da sie Partnerin des Verwaltervertrages ist, nicht die Wohnungseigentümer, gegen die gem. § 46 Abs. 1 S. 1 WEG a.F. jedoch der Antrag auf Ungültigerklärung des Abberufungsbeschlusses zu richten war.
Seit 1.12.2020 kann der Verwalter auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden, wobei der Verwaltervertrag spätestens sechs Monate danach endet (§ 26 Abs. 3 WEG n.F.); der Verwalter ist konsequent auch nicht mehr berechtigt, im Klageweg gegen den Abberufungsbeschluss vorzugehen. Letzteres können nur Wohnungseigentümer tun. Der Verwalter muss seine Rechte ggf. im Wege der Leistungsklage gegen den Verband durchsetzen.
Für eine Anfechtung des positiven Beschlusses über die Kündigung besteht seit jeher kein Rechtsschutzbedürfnis, weil der Beschluss lediglich eine Rechtsmeinung der Wohnungseigentümer zum Ausdruck bringt, für die Berechtigung der Kündigung selbst aber ohne Bedeutung ist. Anknüpfungspunkt der gerichtlichen Kontrolle war insofern in beiden Fällen vielfach das Vorliegen eines wichtigen Grundes, da in der Verwaltungspraxis sowohl die Abberufung als auch die Kündigung hierauf beschränkt wurden (vgl. § 26 Abs. 1 S. 3 WEG a.F.). Das geht seit 1.12.2020 nicht mehr.
Nicht nur ohne eine solche Abberufungs- und Kündigungsbeschränkung können sich die Wohnungseigentümer grundsätzlich jederzeit vom Verwalter trennen, und zwar auch falls man in einer vertraglichen oder der gesetzlichen Befristung (§ 26 Abs. 2 WEG) der Vertragslaufzeit die Beschränkung auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes sehen will.
In der Praxis ist der dogmatische Unterschied zwischen Trennungs- und Vertragstheorie allerdings weniger gravierend, weil im Bestellungsbeschluss (§ 26 Abs. 1 WEG) häufig das konkludente Angebot auf Abschluss des Verwaltervertrages und in der Zustimmung zur Amtsübernahme die Annahme liegen wird, so dass beide Akte tatsächlich zusammenfallen. Unterschiede zeigen sich aber unter anderem bei der GoA. Wegen des Vorrangs des Bestellungsrechtsverhältnisses führt umgekehrt die Abberufung regelmäßig auch zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses.