Dr. iur. Andrea Wassermeyer, Nicolai Lasaroff
Rz. 113
Erhebt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage und stellt er zugleich im Wege der objektiven Klagehäufung den Antrag, den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung zu verurteilen, so ist dieser Antrag nach der Ansicht verschiedener LAG isoliert zu bewerten, sodass eine Streitwertaddition vorzunehmen ist (LAG Baden-Württemberg v. 27.1.1982, EzA § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 17; LAG Berlin v. 15.10.1982, AnwBl. 1984, 151; LAG Bremen v. 20.10.1980, KostRspr. § 12; LAG Düsseldorf v. 23.10.1980, AnwBl. 1981, 36; LAG Hessen v. 20.6.1984, EzA § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 32; LAG Hamburg v. 11.11.1982, AnwBl. 84, 316; LAG Hamm v. 24.11.1983, AnwBl. 1984, 419; LAG Köln v. 19.4.1982, EzA § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 12; LAG Rheinland-Pfalz v. 23.7.1982, AnwBl. 1983, 36; LAG Schleswig-Holstein v. 14.9.1984, LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 34).
Rz. 114
Werden zeitlich nacheinander gelagerte Kündigungen in getrennten Verfahren angegriffen und wird jeweils der Weiterbeschäftigungsantrag gestellt, muss ab dem zweiten Verfahren der verfolgte Weiterbeschäftigungsanspruch geringer bewertet werden, z.B. bei einer 4 Monate später erfolgten Kündigung mit ¾ eines Monatsverdienstes statt des doppelten Monatsverdienstes (LAG Hamm v. 30.4.1986, LAGE § 12 ArbGG 1979, Streitwert Nr. 52).
Rz. 115
Die Streitwertfestsetzung beim Weiterbeschäftigungsanspruch bewegt sich in einem Rahmen von einem Monatsentgelt bis zu drei Monatsbezügen:
1. |
Eine Bewertung des Weiterbeschäftigungsantrages als streitwerterhöhend lehnt das LAG Baden-Württemberg (LAG Baden-Württemberg v. 23.7.2013 – 5 Ta 74/13; LAG Baden-Württemberg v. 15.5.1990, JurBüro 1990, 1268; LAG Baden-Württemberg v. 12.3.1990, JurBüro 1990, 1270) ab. Das LAG Schleswig-Holstein (v. 14.1.2003, AnwBl. 2003, 308) billigt keinen eigenen Wert bei Klageabweisungen zu, wenn ein Arbeitnehmer im Kündigungsrechtsstreit "für den Fall des Obsiegens" den unechten Hilfsantrag ankündigt, den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung zu verurteilen, soweit nicht über ihn entschieden wird oder hierzu eine vergleichsweise Regelung getroffen wird. Auch das LAG Hamburg berücksichtigt den Weiterbeschäftigungsantrag nicht werterhöhend, wenn er als uneigentlicher Hilfsantrag gestellt, über ihn nicht entschieden und er auch nicht zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden ist (LAG Hamburg v. 30.4.2014 – 1 Ta 6/14; LAG Hamburg v. 17.4.2014 – 2 Ta 2/14; LAG Niedersachsen v. 9.3.2009 – 15 Ta 53/09; LAG Baden-Württemberg v. 30.12.2015 – 5 Ta 73/15; LAG Düsseldorf v. 27.7.2000 – 7 Ta 249/00; LAG Nürnberg v. 8.7.2016 – 4 Ta 78/16). |
2. |
Einen Ein-Monats-Bezug als Gegenstandswert legen zugrunde LAG Bremen v. 20.11.1980, AuR 1981, 285 und LAG Bremen v. 2.2.1982, AP Nr. 30 zu § 613a BGB = DB 1982, 1278; LAG Hamburg v. 11.11.1985, AnwBl. 1984, 316; LAG München v. 30.3.1989, AnwBl. 1990, 49; LAG Nds. v. 11.3.1993, und v. 11.7.1997, AE 1997, 65; LAG Thüringen v. 27.2.1996, AE 1997, 33; LAG Sachsen v. 24.10.1997, AE 1997, 103; v. 24.3.1998, AE 1998, 32; LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 17.10.1997, AE 1997, 102; LAG Hamburg v. 29.7.2004 – 8 Ta 11/04; LAG Rheinland-Pfalz v. 2.6.2004 – 2 Ta 113/04; LAG Rheinland-Pfalz v. 20.1.2009 – 1 Ta 1/09; LAG Hamburg v. 2.9.2002 – 7 Ta 21/02; LAG Baden-Württemberg v. 27.4.2010 – 5 Ta 63/10; LAG Sachsen v. 8.11.2010 – 4 Ta 211/10. |
3. |
1 1/2 Monats-Bezüge halten für gerechtfertigt das LAG München v. 28.3.1984, JurBüro 1984, 1399; LAG Saarland v. 12.12.1989, LAGE § 19 GKG Nr. 9. Nur regelmäßig 1 1/2 Monatsbezüge, nämlich die Hälfte des Streitwerts des Kündigungsschutzprozesses, hält für angemessen das LAG Rheinland-Pfalz v. 23.7.1982, AnwBl. 1983, 36. |
4. |
Den Wert des Weiterbeschäftigungsantrages mit zwei Monatsbezügen bewerten die nordrhein-westfälischen LAG, so das LAG Düsseldorf v. 30.10.1980, nunmehr auch ein Monatsgehalt LAG Düsseldorf v. 25.6.2013 – 2 Ta 291/13, EzA § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 1; LAG Köln v. 19.4.1982, EzA § 12 ArbGG 1979, Streitwert Nr. 12; LAG Hamm v. 15.10.1981, EzA § 12 ArbGG 1979, Streitwert Nr. 7; LAG Hamm v. 6.5.1982, AnwBl. 1982, 394; LAG Hamm v. 24.11.1983, AnwBl. 1984, 149; LAG Düsseldorf v. 11.2.1985, JurBüro 1985, 767; LAG Düsseldorf v. 23.8.1985, JurBüro 1985, 1710; LAG Düsseldorf v. 25.6.1987, AnwBl. 1987, 554; außerdem das LAG Nds. in einer älteren Entscheidung v. 27.8.1985, Nds. RPfl. 1986, 219. (Es ist zu berücksichtigen, dass entsprechend der vorstehenden Zitate die überwiegende Anzahl der Kammern des LAG Nds. zurzeit nur einen Monatsbezug ansetzen.) |
5. |
Das BAG hat in der Entscheidung v. 30.8.2011 – 2 AZR 668/10 – und v. 13.8.2014 – 2 AZR 871/12 – entschieden, dass der Weiterbeschäftigungsantrag auch dann, wenn er nicht als unentgeltlicher Hilfsantrag gestellt wurde, stets als solcher auszulegen ist und er nur dann streitwertmäßig zu berücksichtigen ist, wenn über ihn positiv entschieden ist oder ein Vergleich eine Regelung darüber enthält. Dem folgen LAG Sachsen v. 17.1.2017 – 4 Ta 183/16 sowie das LAG Baden-Württemberg v. 30.12.2015 – 5 Ta 71/15; LAG H... |