Rz. 88
Soweit der gerichtlichen bereits eine außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts vorausgegangen ist, wird die hierfür angefallene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300–2303 RVG-VV auf die im gerichtlichen Verfahren bestehenden Verfahrensgebühren nur bis zur Hälfte, maximal bis zu einem Gebührensatz von 0,75 angerechnet. Die nicht anrechenbaren Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit können nicht im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens festgesetzt werden, sondern sind in Gestalt eines materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruches als Nebenforderung im Rahmen des Prozesses geltend zu machen. In gleicher Weise sollte der Anwalt, der die Vertretung des Beklagten übernommen hat und bereits vorgerichtlich damit beauftragt war, die geltend gemachte Forderung abzuwehren, neben der Klageabweisung die außergerichtlich entstandenen Kosten im Wege der Widerklage geltend machen.
Nach dem am 5.8.2009 eingeführten § 15a RVG kann, soweit das Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht, der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den von dem Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Ein Dritter kann sich auf die Aufrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Diese Regelung gilt auch für Altfälle. Danach kann bei einer vorhergehenden außergerichtlichen Tätigkeit die vollständige außergerichtliche Gebühr als Nebenforderung geltend gemacht werden, soweit insgesamt nicht mehr als der Gesamtbetrag der unter Berücksichtigung der Anrechnung der Gebühren entstehende Gesamtbetrag geltend gemacht wird. Wenn beispielsweise die außergerichtliche Geschäftsgebühr nach VV 2300 in vollem Umfange zugesprochen wird, wäre im an den Rechtsstreit anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren die Verfahrensgebühr nur noch gekürzt anzumelden, da durch das Urteil ein Vollstreckungstitel über die außergerichtliche Gebühr bereits vorliegt.
Rz. 89
Hinweis:
Der Erstattungspflichtige muss sich selber auf die Anrechnung berufen. Eine Prüfung von Amts wegen findet nicht statt. Der Prozessbevollmächtigte des Erstattungspflichtigen hat daher bei der Geltendmachung von außergerichtlichen Kosten und der Anmeldung der im Rechtsstreit angefallenen Gebühren zu prüfen, ob eine Anrechnung stattfindet. Soweit sie in einem Prozess als Nebenforderung mit geltend gemacht werden, erhöht sich hierdurch der Streitwert nicht.