Rz. 99
Um dem Kläger, der die Voraussetzung seines Anspruchs urkundlich belegen kann, schnell einen vollstreckbaren Titel zu verschaffen, geben die §§ 592 ff. ZPO die Möglichkeit, bei Ansprüchen auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder Leistung einer bestimmten Menge vertretbarer Sachen oder von Wertpapieren im Urkundenprozess zu klagen. In diesem Verfahren gem. § 595 Abs. 2 und 3. ZPO sind die Beweismittel beschränkt; die Widerklage ist gem. § 595 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Durch Verkürzung der Ladungsfrist und Erleichterungen der Beweisführung tritt eine weitere Beschleunigung ein. Das Urteil kann jedoch gem. §§ 597 Abs. 2, 599 ZPO durch ein Nachverfahren, in dem sämtliche Beweismittel zugelassen sind, wieder aufgehoben werden. Bei Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil besteht die Gefahr der Schadensersatzpflicht für den Fall der Aufhebung im Nachverfahren.
Die wichtigste Besonderheit des Urkundenprozesses ist, dass der Kläger sämtliche klagebegründenden Tatsachen, sofern sie streitig sind, durch Urkundenvorlage zu beweisen hat. Andere Beweismittel sind unzulässig. Auch ein in einem selbstständigen Beweisverfahren eingeholtes Sachverständigengutachten stellt kein im Urkundsverfahren zulässiges Beweismittel dar, wenn damit der Beweis durch einen Sachverständigen ersetzt werden soll. Eine Zulassung eines solchen Gutachtens stellt eine Umgehung des vom Gesetzgeber gewollten Ausschluss des Sachverständigenbeweises im Urkundsverfahren dar. Gem. § 595 Abs. 2 ZPO ist Parteivernehmung nur bezüglich der Frage der Echtheit und Unechtheit einer Urkunde sowie anderer, nicht anspruchsbegründender Tatsachen, z.B. rechtsvernichtender Einwendungen, zulässig. Gem. § 596 ZPO kann der Kläger vom Urkundenprozess Abstand nehmen, z.B. wenn ihm der Beweis der klagebegründenden Tatsachen durch Urkunden nicht gelingt. Der Prozess geht sodann in das normale Verfahren über. Mit Urt. v. 1.6.2005 hat der BGH die Geltendmachung rückständiger Wohnraummiete im Wege des Urkundenprozesses auch dann zugelassen, wenn vom Mieter eine Minderung geltend gemacht wird. Wenn der Mieter die von ihm geltend gemachten Mängel – wie regelmäßig – durch die im Urkundenprozess zugelassenen Beweismittel nicht nachweisen kann, ist er insoweit bezüglich der Geltendmachung der Mietminderung auf das Nachverfahren angewiesen. Auch das materielle Mietrecht führt zu keiner Einschränkung der prozessualen Befugnisse des Vermieters.
Eine Unterart des Urkundenprozesses ist der Wechsel- und Scheckprozess, für den grds. die Vorschriften des Urkundenprozesses gleichfalls gelten.
Gem. § 46 Abs. 2 S. 2 ArbGG gelten die Vorschriften über den Urkunden- und Wechselprozess im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht.