I. Rechtliche Grundlagen
Rz. 166
Nach den §§ 330 ff. ZPO besteht die Möglichkeit, eine säumige Partei durch Versäumnisurteil zu verurteilen. In der Praxis sind es in einer Vielzahl von Fällen die Beklagten, die dem geltend gemachten Anspruch nichts entgegenzusetzen haben und es lediglich aus Zeitverzögerungsgründen auf ein Verfahren ankommen lassen.
1. Voraussetzungen
Rz. 167
Voraussetzung für den Erlass eines Versäumnisurteils ist die Säumnis einer Partei. Gem. § 333 ZPO gilt eine Partei bei der mündlichen Verhandlung als säumig, wenn sie entweder nicht erscheint oder zwar erscheint, aber nicht verhandelt. In Anwaltsprozessen gilt eine ohne einen bei dem angerufenen Gericht zugelassenen Anwalt erschienene Partei ebenfalls als säumig. Voraussetzung ist des Weiteren, dass die Partei ordnungsgemäß geladen war, vgl. § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.
Gem. § 331 Abs. 3 ZPO kann im Falle des schriftlichen Vorverfahrens Versäumnisurteil ohne mündliche Verhandlung ergehen, wenn der Beklagte die Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft versäumt hat. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist auch insoweit zulässig, als das Vorbringen des Klägers den Klageantrag in einer Nebenforderung nicht rechtfertigt, sofern der Kläger vor der Entscheidung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
2. Urteil
Rz. 168
Im Falle der Säumnis des Klägers hat das Gericht auf Antrag des erschienenen Beklagten gem. § 330 ZPO die Klage durch Versäumnisurteil abzuweisen. Das Gericht darf in diesem Falle nicht in eine Sachprüfung eintreten. Das klageabweisende Versäumnisurteil erwächst in volle Rechtskraft, so dass eine erneute gerichtliche Geltendmachung des Klageanspruches unzulässig ist.
Bei Säumnis des Beklagten darf das Gericht den Beklagten nur insoweit verurteilen, als die Klage schlüssig ist. Bei unschlüssiger und unzulässiger Klage ist diese durch normales Endurteil, ein "unechtes Versäumnisurteil" abzuweisen.
3. Säumnis im Güteverfahren
Rz. 169
Die Güteverhandlung ist nicht Teil der mündlichen Verhandlung, so dass hier kein Versäumnisurteil ergehen kann, wenn nur zur Güteverhandlung geladen wurde. Soweit eine Partei in der Güteverhandlung nicht erscheint, soll sich die mündliche Verhandlung als früher erster Termin oder Haupttermin unmittelbar anschließen, so dass hier auch ein Versäumnisurteil ergehen kann. Soweit beide Parteien nicht erschienen sind, ist gem. § 278 Abs. 4 ZPO das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.
4. Entscheidung nach Lage der Akten
Rz. 170
Nach § 331a ZPO besteht beim Ausbleiben einer Partei im Termin zur mündlichen Verhandlung auch die Möglichkeit der Beantragung einer Entscheidung nach Lage der Akten. Voraussetzung hierfür ist, dass, soweit eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, bereits in einem früheren Termin verhandelt wurde. Die Beantragung einer Entscheidung nach Lage der Akten empfiehlt sich in der Regel, wenn bereits mündlich verhandelt worden war und eine für die Partei günstige Entscheidung zu erwarten ist.
5. Rechtsbehelfe
Rz. 171
Soweit das Gericht den Erlass eines Versäumnisurteils ablehnt, steht der Partei, deren Antrag abgelehnt wurde, gem. § 336 ZPO die sofortige Beschwerde zu.
Rz. 172
Hat das Gericht durch Versäumnisurteil entschieden, kann die Partei, gegen die das Versäumnisurteil erlassen wurde, gem. § 338 ZPO Einspruch einlegen. Der Einspruch ist gem. § 339 ZPO binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab dem Datum der Zustellung des Versäumnisurteils einzulegen. In der Einspruchsschrift sind alle Angriffs- und Verteidigungsmittel, derer es nach der Prozesslage zu einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung bedarf, sowie eventuelle Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, aufzuführen (§ 340 Abs. 3 ZPO). Bei zulässigem Einspruch wird gem. § 342 ZPO der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand.
Ist der Einspruch nicht form- oder fristgerecht eingelegt, so ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen (§ 341 Abs. 1 ZPO). Gem. § 341 Abs. 2 ZPO kann diese Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ergehen. Gegen diesen Beschluss ist die sofortige Beschwerde möglich, sofern gegen ein Urteil des gleichen Inhalts die Berufung zulässig wäre.
Wenn der Prozess nach zulässigem Einspruch fortgeführt wird, beseitigt der Einspruch das Versäumnisurteil nicht, so dass hieraus weiter vollstreckt werden kann. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nur unter den Voraussetzungen des § 719 Abs. 1 S. 2 ZPO möglich.
Bleibt die Partei, die Einspruch eingelegt hat, im Einspruchstermin wiederum säumig, ergeht gegen sie gem. § 345 ZPO ein zweites Versäumnisurteil. Hiergegen ist ein weiterer Einspruch nicht möglich. Eine gegen ein zweites Versäumnisurteil eingelegte Berufung kann gem. § 514 Abs. 2 ZPO nur darauf gestützt werden, dass ein Fall der Säumnis nicht vorgelegen habe.