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Durch das Gesetz zur Verbesserung grenzüberschreitender Forderungsdurchsetzung und Zustellung vom 30.10.2008 sind mit den neu eingefügten §§ 1087 ff. und 1097 ff. ZPO die deutschen Ausführungsbestimmungen für die Durchführung der EG-Verordnungen zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens (VO (EG) Nr. 1896/2006, EuMVVO) und zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (VO (EG) Nr. 861/2007 EuGFVO) geschaffen worden.
Beide Verfahren setzen voraus, dass ein grenzüberschreitender Fall vorliegt, dass die Parteien grundsätzlich in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind. Beide Verfahren werden durch europaweit einheitliche Formblätter eingeleitet.
Das Europäische Mahnverfahren gilt nur für die Betreibung bezifferter Geldforderungen, die zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrages auf Erlass des europäischen Zahlungsbefehles fällig sind. Zuständig für die Bearbeitung von Anträgen auf Erlass und Überprüfung sowie die Vollstreckbarerklärung eines europäischen Zahlungsbefehles in der Bundesrepublik Deutschland ist ausschließlich das Amtsgericht Berlin-Wedding. Die internationale Zuständigkeit regelt sich allerdings nach Art. 6 EuMVVO, der generell auf die Vorschriften des Gemeinschaftsrechtes, insbesondere die EuGVVO verweist. Betrifft die Forderung jedoch einen Vertrag, den eine Person, die Verbraucher ist, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen und gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann und ist der Verbraucher Antragsgegner, so sind nur die Gerichte zuständig, in welchen der Antragsgegner seinen Wohnsitz hat.
Das Verfahren wird durch ein europaweit einheitliches Formular eingeleitet. Nach Prüfung des Antrages erlässt das Gericht einen Europäischen Zahlungsbefehl, der dem Antragsgegner zuzustellen ist. Legt der Antragsgegner nicht innerhalb von 30 Tagen ab der Zustellung Einspruch ein, wobei es allein auf das Datum der Absendung ankommt, erklärt das Gericht den Zahlungsbefehl automatisch für vollstreckbar.
Wird fristgerecht Einspruch eingelegt, geht das Verfahren in ein gewöhnliches Zivilprozessverfahren über, soweit nicht gem. Art. 17 EuMVVO ausdrücklich beantragt ist, das Verfahren in einem solchen Falle zu beenden.
Das europäische Verfahren über geringfügige Forderungen nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 gilt für grenzüberschreitende Rechtssachen in Zivil- und Handelssachen, wenn der Streitwert der Klage ohne Zinsen, Kosten und Auslagen zum Zeitpunkt des Einganges beim zuständigen Gericht 2.000 EUR nicht überschreitet. Es ist unzulässig in Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten sowie wegen der Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte. Es ist darüber hinaus nicht anzuwenden auf Verfahren, die
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den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, |
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die ehelichen Güterstände, das Unterhaltsrecht und das Gebiet des Erbrechtes einschließlich des Testamentsrechtes, |
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Konkurse, Verfahren im Zusammenhang mit der Abwicklung zahlungsunfähiger Unternehmen oder anderer juristischer Personen, gerichtliche Vergleiche, oder ähnlicher Verfahren, |
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die soziale Sicherheit, |
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die Schiedsgerichtsbarkeit, |
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das Arbeitsrecht, |
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die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen mit Ausnahme von Klagen wegen Geldforderungen oder die Verletzung der Privatsphäre |
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oder der Persönlichkeitsrechte einschließlich der Verletzung der Ehre |
zum Gegenstand haben.
Das Verfahren ist nicht anwendbar in Dänemark.
Das Verfahren wird ebenfalls durch ein europaweit einheitliches Formblatt eingeleitet. Diese Formblätter und andere Erklärungen können als Schriftsatz, Telekopie oder nach der Maßgabe des § 130a ZPO als elektronische Dokumente beim Gericht eingereicht werden. Die Verfahren werden nach einheitlichen europäischen Regelungen abgewickelt. Für die in Deutschland durchzuführende Verfahren gelten die §§ 1097 ff. ZPO.