Jürgen Beck, Jürgen Brand
a) Allgemeines
Rz. 39
Durch dieses Gesetz sollen die Sozialgerichte entlastet werden und die Betroffenen beschleunigt Rechtsschutz erhalten. Nach §§ 106a, 157a SGG (neu eingeführt seit 1.4.2008) soll unter engen Voraussetzungen der Vortrag einer Partei "präkludiert" werden können. Das bedeutet: Der Vorsitzende kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe von Tatsachen. Das Gericht kann Erklärungen oder Beweismittel, die erst nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreites verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt.
Rz. 40
Es wird eine "Fiktion einer Klagerücknahme" für die Fälle eingeführt, in denen der Kläger/in ungeachtet einer Aufforderung des Gerichtes nicht fristgemäß die vom Gericht als geboten angesehene Mitwirkungshandlung erbringt oder hinreichend substantiiert darlegt, warum er die geforderte Handlung nicht vornehmen kann, § 102 Abs. 2 SGG (Abs. 2 neu angeführt seit 1.4.2008). Anlehnung an § 52 Abs. 2 VwGO. Es wird eine Frist von 3 Monaten eingeräumt.
Rz. 41
Anforderungen an Klageschrift und Klagebegründung werden auf niedrigem Niveau erhöht. Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen, § 92 SGG (n.F. seit 1.4.2008). Alle weiteren Voraussetzungen sind auch weiterhin "Soll-Vorschriften". Das gilt auch für die Unterzeichnung der Klageschrift.
Rz. 42
Erhöhung des Schwellenwertes zur Berufung: Der Beschwerdewert für Klagen wird auf 750 EUR und für Erstattungsstreitigkeiten auf 10.000 EUR erhöht.
Die Beschwerde ist ausgeschlossen, wenn im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Hauptsache nicht berufungsfähig wäre. Ein Beschwerdeausschluss findet unter bestimmten Voraussetzungen auch in PKH- und Kostengrundentscheidungsverfahren statt.
b) Besondere Problembereiche
aa) Zur Klageschrift
Rz. 43
Durch die Neufassung des § 92 Abs. 1 SGG sind die Anforderungen an die Klageschrift verschärft worden. Nunmehr müssen (in Anlehnung an § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO) die Angabe des Klägers, der Beklagten und des Gegenstandes des Klagebegehrens aufgeführt sein. Zur Bezeichnung der Beklagten genügt allerdings die Angabe der Behörde.
Rz. 44
In § 92 Abs. 1 SGG ist nicht ausdrücklich geregelt, dass die Bezeichnung des Klägers nicht nur dessen Vor- und Nachnamen erfordert, sondern auch eine ladungsfähige Wohnanschrift. Dies ist aber durch die Rspr. seit Langem anerkannt (BSG v. 18.11.2003 – B 1 KR 1/02 S –, SozR 4–1500 § 90 Nr. 1). Die Angabe eines Postfaches oder einer postlagernden Adresse genügt nicht (BVerwG v. 18.11.2003, NJW 1999, 2608). Das gilt auch für die Angabe der Mobilfunknummer bzw. der E-Mail – Adresse (BSGV. 18.11.2003, s.o.). Allerdings müssen diese Angaben nicht unbedingt innerhalb der Klagefrist mitgeteilt werden. Vielmehr müssen sie ggf. innerhalb einer vom Vorsitzenden dem Kläger zur erforderlichen Ergänzung eingeräumten Frist mitgeteilt werden (Argument aus § 92 Abs. 2 S. 1 SGG). Wenn diese Frist verstreicht, ohne dass der Kläger auf die Aufforderung des Vorsitzenden reagiert, kann das Gericht die Klage als unzulässig verwerfen. Verhält sich ein im Sozialgerichtsprozess auftretender Bevollmächtigter auf die richterliche Aufforderung hin, eine schriftliche Prozessvollmacht zu den Gerichtsakten einzureichen, trotz Fristsetzung und Hinweises auf die Folgen der Nichteinreichung (weiterhin) passiv und ergeht mit Rücksicht darauf ein Prozessurteil, kann der Bevollmächtigte in den nachfolgenden Instanzen nicht damit gehört werden, eine bereits im Vorfeld des Rechtsstreits in die Verwaltungsakten gelangte Vollmacht habe seine Prozessvertretung mit abgedeckt. Verweist der Prozessbevollmächtigte auf eine solche Aufforderung hin auf eine in den Verwaltungsakten befindliche Vollmacht, steht dieses der Klageabweisung als unzulässig nur entgegen, wenn der Inhalt der Vollmacht zweifelsfrei die Vertretung im nachfolgenden sozialgerichtlichen Verfahren mit umfasst, BSG v. 13.12.2000 – B 6 KA 29/00 R.
Rz. 45
Der Kläger kann mit heilender Wirkung die ihm aufgegebenen Handlungen sogar noch zwischen Fristablauf und gerichtlicher Entscheidung nachholen. Dies ist allerdings ausgeschlossen, wenn der Vorsitzende ihm eine Frist mit ausschließender Wirkung gesetzt hat, wozu er nach § 92 Abs. 2 S. 2 SGG berechtigt ist (Ermessen). Ist ein solcher Fall eingetreten, kann der Kläger nur noch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG beantragen (§ 92 Abs. 2 S. 3 SGG).
Rz. 46
Anders als in der VwGO sind ein bestimmter Antrag, die Unterzeichnung der Klage durch den Kläger oder die Mitteilung, wer ihn vertritt, die Orts- und Zeiteingabe nicht zwingende Bestandteile der Klage (§ 92 SGG). Das gilt auch für die Angabe von Tatsachen, die zur Begründung der Klage dienen sowie von Beweismitteln oder der Beifügung der angefochtenen Verfügung und des Widerspruchsbescheides. Insoweit handelt es sich um reine Soll-Vorschriften.
Rz. 47
Auch hier kann der Vorsitzende (auch ohne Fristsetzung) auffordern, entspreche...