Jürgen Beck, Jürgen Brand
aa) Zur Klageschrift
Rz. 43
Durch die Neufassung des § 92 Abs. 1 SGG sind die Anforderungen an die Klageschrift verschärft worden. Nunmehr müssen (in Anlehnung an § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO) die Angabe des Klägers, der Beklagten und des Gegenstandes des Klagebegehrens aufgeführt sein. Zur Bezeichnung der Beklagten genügt allerdings die Angabe der Behörde.
Rz. 44
In § 92 Abs. 1 SGG ist nicht ausdrücklich geregelt, dass die Bezeichnung des Klägers nicht nur dessen Vor- und Nachnamen erfordert, sondern auch eine ladungsfähige Wohnanschrift. Dies ist aber durch die Rspr. seit Langem anerkannt (BSG v. 18.11.2003 – B 1 KR 1/02 S –, SozR 4–1500 § 90 Nr. 1). Die Angabe eines Postfaches oder einer postlagernden Adresse genügt nicht (BVerwG v. 18.11.2003, NJW 1999, 2608). Das gilt auch für die Angabe der Mobilfunknummer bzw. der E-Mail – Adresse (BSGV. 18.11.2003, s.o.). Allerdings müssen diese Angaben nicht unbedingt innerhalb der Klagefrist mitgeteilt werden. Vielmehr müssen sie ggf. innerhalb einer vom Vorsitzenden dem Kläger zur erforderlichen Ergänzung eingeräumten Frist mitgeteilt werden (Argument aus § 92 Abs. 2 S. 1 SGG). Wenn diese Frist verstreicht, ohne dass der Kläger auf die Aufforderung des Vorsitzenden reagiert, kann das Gericht die Klage als unzulässig verwerfen. Verhält sich ein im Sozialgerichtsprozess auftretender Bevollmächtigter auf die richterliche Aufforderung hin, eine schriftliche Prozessvollmacht zu den Gerichtsakten einzureichen, trotz Fristsetzung und Hinweises auf die Folgen der Nichteinreichung (weiterhin) passiv und ergeht mit Rücksicht darauf ein Prozessurteil, kann der Bevollmächtigte in den nachfolgenden Instanzen nicht damit gehört werden, eine bereits im Vorfeld des Rechtsstreits in die Verwaltungsakten gelangte Vollmacht habe seine Prozessvertretung mit abgedeckt. Verweist der Prozessbevollmächtigte auf eine solche Aufforderung hin auf eine in den Verwaltungsakten befindliche Vollmacht, steht dieses der Klageabweisung als unzulässig nur entgegen, wenn der Inhalt der Vollmacht zweifelsfrei die Vertretung im nachfolgenden sozialgerichtlichen Verfahren mit umfasst, BSG v. 13.12.2000 – B 6 KA 29/00 R.
Rz. 45
Der Kläger kann mit heilender Wirkung die ihm aufgegebenen Handlungen sogar noch zwischen Fristablauf und gerichtlicher Entscheidung nachholen. Dies ist allerdings ausgeschlossen, wenn der Vorsitzende ihm eine Frist mit ausschließender Wirkung gesetzt hat, wozu er nach § 92 Abs. 2 S. 2 SGG berechtigt ist (Ermessen). Ist ein solcher Fall eingetreten, kann der Kläger nur noch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG beantragen (§ 92 Abs. 2 S. 3 SGG).
Rz. 46
Anders als in der VwGO sind ein bestimmter Antrag, die Unterzeichnung der Klage durch den Kläger oder die Mitteilung, wer ihn vertritt, die Orts- und Zeiteingabe nicht zwingende Bestandteile der Klage (§ 92 SGG). Das gilt auch für die Angabe von Tatsachen, die zur Begründung der Klage dienen sowie von Beweismitteln oder der Beifügung der angefochtenen Verfügung und des Widerspruchsbescheides. Insoweit handelt es sich um reine Soll-Vorschriften.
Rz. 47
Auch hier kann der Vorsitzende (auch ohne Fristsetzung) auffordern, entsprechende Angaben zu machen. Ggf. kann das Gericht auch zu den Mitteln der Präklusion (s. hierzu § 106a SGG) greifen oder den Kläger auffordern, das Verfahren zu betreiben und – falls er dieser Aufforderung nicht nachkommt – die Rücknahme der Klage nach § 102 Abs. 2 SGG annehmen.
bb) Präklusion (§ 106a SGG)
Rz. 48
Nach § 106a SGG kann der Vorsitzende dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Des Weiteren kann der Vorsitzende nach Abs. 2 einem Beteiligten (d.h. nicht nur dem Kläger, sondern auch der Beklagten!) unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen
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Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen, |
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Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist. |
Rz. 49
Entscheidend ist, dass der Vorsitzende diese Erklärungen und Beweismittel, die erst nach dem Abs. 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen kann (nicht muss!) und ohne weitere Ermittlungen entscheiden kann, wenn
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ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichtes die Erledigung des Rechtsstreites verzögern würde und |
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der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und |
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der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist. |
Rz. 50
Die fristgebundene Aufforderung muss nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGG zugestellt werden.
Hinweis
Zu beachten ist jedoch, dass der Ausschluss mit dem Vorbringen nicht eintritt, wenn es dem Gericht mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung der Beteiligten zu ermitteln, § 106a Abs. 3 S. 3 SGG.
Rz. 51
Da das Gericht (anders als im Zivilprozess nach § 296 Abs. 1 ZPO) nicht zur Zurückweisung verpflichtet ist, sondern die Zurückweisung in seinem Ermessen steht, muss die Entscheidung, das Vorbring...