Jürgen Beck, Jürgen Brand
Rz. 17
Die Sozialgerichte entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art, die ihnen entweder in Form einer Generalklausel (§ 51 SGG) oder durch einen Zuständigkeitskatalog zugewiesen worden sind. Die Sozialgerichte sind ebenso wie die Finanzgerichte besondere Verwaltungsgerichte. Hieraus ergeben sich gravierende Unterschiede ggü. dem arbeitsgerichtlichen Verfahren.
Rz. 18
§ 51 SGG nennt als öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, die den Sozialgerichten zugewiesen sind, "Angelegenheiten der Sozialversicherung". Hierunter sind alle Verfahren zu verstehen, bei denen die Möglichkeit besteht, dass die aus dem vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt hergeleitete Rechtsfolge ihre Grundlage im materiellen Sozialversicherungsrecht findet. Der Begriff umfasst herkömmlicherweise die Bereiche der Kranken-, Pflege-, Unfall- und Rentenversicherung. Von Bedeutung ist, dass die Sozialgerichte auch in Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung zuständig sind. Des Weiteren sind in § 51 SGG der Sozialgerichtsbarkeit Streitigkeiten in Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung und der übrigen Aufgaben der BA sowie der Kriegsopferversorgung zugewiesen. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über Streitigkeiten, die in Angelegenheiten nach dem SGB V (Krankenversicherungsrecht) aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände, aufgrund von Entscheidungen der gemeinsamen Gremien von Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern oder anderen Leistungserbringern und Krankenkassen sowie des Großgeräteausschusses sowie aufgrund von Entscheidungen oder Verträgen der Krankenkassen oder ihrer Verbände entstehen, und seit dem 1.1.2005 auch über Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der Sozialhilfe (für Ältere und Erwerbsgeminderte) sowie des Asylbewerberleistungsgesetzes (SGB II, SGB XII, AsylbLG).
Rz. 19
Eine besondere Zuständigkeit ist den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit durch Einzelgesetz eröffnet im BEEG, HHG, SVG, ZDG, im Gesetz über das Zivilschutzchor, im KVLG, ALG, EntwicklungshelferG, BEG, OEG, im Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechtes in der Kriegsopferversorgung usw.
Rz. 20
Nach § 8 SGG entscheiden die Sozialgerichte in erster Instanz über alle Streitigkeiten, für die der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit offensteht. Seit dem 1.4.2008 haben die Landessozialgerichte gem. § 29 Abs. 2 SGG in erster Instanz u.a. Klagen gegen Entscheidungen der Landesschiedsämter nach dem SGB V, der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI (Pflegeversicherung) und der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII (Sozialhilfe) usw. zu bearbeiten. Weitere erstinstanzliche Zuständigkeiten der Landessozialgerichte bestehen bei Aufsichtsangelegenheiten gegenüber Trägern der Sozialversicherung, bei denen die Aufsicht von einer Landes- oder Bundesbehörde ausgeübt wird, und Streitigkeiten zwischen gesetzlichen Krankenkassen oder ihren Verbänden und dem Bundesversicherungsamt über den Risikostrukturausgleich, die Anerkennung von strukturierten Behandlungsprogrammen und die Verwaltung des Gesundheitsfonds (Sonderzuständigkeit des LSG NRW). Nur ausnahmsweise entscheidet das BSG im ersten und letzten Rechtszug nach § 39 Abs. 2 SGG über Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern sowie zwischen verschiedenen Ländern, ferner gem. §§ 88 Abs. 7 SVG, 158 Nr. 5 SGB IX bei Streitigkeiten von Angehörigen des Bundesnachrichtendienstes nach diesen Gesetzen sowie nach § 146 SGB III gegen die BA bzgl. der Beeinflussung von Arbeitskämpfen durch Arbeitslosengeldgewährung.