1. Typischer Sachverhalt
Rz. 46
Die Klägerin hat aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Titels die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betrieben. In dem von dem Schuldner durchgeführten Berufungsverfahren stellt sich heraus, dass der mit der Klage ursprünglich geltend gemachte Anspruch nicht besteht, so dass die Klage abgewiesen wird. Der Schuldner möchte wegen der durchgeführten Zwangsvollstreckung bei der Klägerin Regress nehmen.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 47
Ist der Titel nur vorläufig vollstreckbar, trägt der Gläubiger das Risiko einer vorzeitigen Vollstreckung bei späterer Aufhebung des Vollstreckungstitels in einem Rechtsmittelverfahren. Der Anspruch des § 717 Abs. 2 ZPO ist ein Ersatzanspruch aus einem übernommenen Risiko. Er soll dem Schuldner einen Ausgleich für die unter Umständen unvermeidbaren Nachteile geben, die infolge der vorläufigen Durchsetzung eines letztlich nicht berechtigt erscheinenden Anspruchs entstehen.
Der Ersatzanspruch entsteht mit der Aufhebung oder mit der Änderung des Urteils. Er ist ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung, jedoch ohne Verschuldenserfordernis, d.h. eine Art Gefährdungshaftung. Es gelten daher die §§ 249 ff. BGB. Der Anspruch ist zunächst auf Wiederherstellung gerichtet und erst in zweiter Linie auf Geldersatz (§ 251 BGB). Der Anspruch ist nicht gegeben für die meisten Urteile der Oberlandesgerichte (vgl. § 717 Abs. 3 ZPO).
Zu ersetzen ist jeder unmittelbare oder mittelbare Schaden der adäquat-kausal auf den Vollstreckungszugriff zurückzuführen ist. Hierher gehört derjenige Schaden, der dem Gegner durch irgendeine, auch ergebnislose Zwangsvollstreckungsmaßnahme aus dem erstinstanzlichen Urteil oder durch eine Aufwendung (z.B. Bürgschaftskosten zur Vollstreckungsabwendung, Avalzinsen) oder durch eine Leistung oder Hinterlegung gerade zur Abwendung einer drohenden Vollstreckung ursächlich entstanden ist. Es muss nur der Grund des Schadens entstanden sein, der Schaden kann auch erst später bezifferbar entstanden sein. Die Zwangsvollstreckung muss allerdings möglich gewesen sein. Dies ist noch nicht der Fall, wenn der Gläubiger selbst noch eine Sicherheitsleistung zu erbringen hat. Auch die Erwirkung der Vollstreckungsklausel allein reicht noch nicht aus; anders, wenn die Klausel zugestellt wird. Da die §§ 249 ff. BGB gelten, findet auch § 254 BGB Anwendung, etwa bei verzögerlicher Erhebung von Einreden, bei unterlassenen Vollstreckungsschutzanträgen nach den §§ 719, 707 ZPO oder dann, wenn der Kläger es unterlassen hat, auf einen drohenden ungewöhnlich hohen Vollstreckungsschaden hinzuweisen.
Der Rechtsgedanke des § 717 Abs. 2 ZPO ist auch auf andere Vollstreckungstitel anwendbar, und auch dann, wenn ein Titel nur teilweise aufgehoben wird.
Der Anspruch kann sowohl in einem Zwischenverfahren als auch in einer eigenen Klage verfolgt werden. Der Zwischenantrag ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auch noch in der Revision, zulässig. Da er kostenmäßig wie eine Widerklage nach § 19 GKG behandelt wird, ist das Kostenrisiko geringer als bei einer gesonderten Klage. Die gesonderte Klage nach rechtskräftiger Entscheidung des Vorprozesses ist vorzuziehen, wenn der Ausgang des Vorprozesses ungewiss ist.
3. Klage auf Schadensersatz wegen vorläufiger Vollstreckung (§ 717 Abs. 2 ZPO)
a) Muster: Klage auf Schadensersatz wegen vorläufiger Vollstreckung (Zwischenantrag im schwebenden Verfahren)
Rz. 48
Muster 58.13: Klage auf Schadensersatz wegen vorläufiger Vollstreckung (Zwischenantrag im schwebenden Verfahren)
Muster 58.13: Klage auf Schadensersatz wegen vorläufiger Vollstreckung (Zwischenantrag im schwebenden Verfahren)
An das
Landgericht
in _____
Antrag nach § 717 Abs. 2 ZPO
In Sachen
Gläubiger ./. Schuldner
Az.: _____
beantrage ich, in Ergänzung des bisherigen Berufungsantrages, im Namen und in Vollmacht des Beklagten:
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Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten als Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO _____ EUR zu zahlen, zuzüglich _____ % Zinsen, mindestens jedoch 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem _____. |
Begründung:
Die Klägerin hat aus dem hier mit der Berufung angegriffenen Urteil nach Sicherheitsleistung durch Pfändung und Verwertung der Stanzmaschine Marke _____, Gerätenummer _____ gem. Protokoll des Gerichtsvollziehers _____ vom _____ DRNr.: _____ vollstreckt.
Beweis: In Ablichtung beigefügtes Protokoll des Gerichtsvollziehers _____ vom _____
Nach der in diesem Verfahren durchgeführten Beweisaufnahme wird das Urteil der 1. Instanz aufzuheben sein. Die Klägerin ist daher verpflichtet, dem Beklagten den aus der Vollstreckung des Urteils entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 717 Abs. 2 ZPO).
Der Schaden errechnet sich wie folgt: _____
Rechtsanwalt
b) Anmerkungen zum Muster
Rz. 49