Rz. 18
Fahrzeug i.S.d. § 69a Abs. 2 StGB bzw. § 111a Abs. 1 StPO ist nicht identisch mit der Führerscheinklasse. Vielmehr ergibt sich aus § 6 Abs. 1 S. 2 FeV (früher § 5 Abs. 1 S. 2 StVZO), wonach eine Fahrerlaubnis auf einzelne Fahrzeugarten beschränkt werden kann, was unter Fahrzeugart zu verstehen ist (OLG Stuttgart DAR 1975, 305; OLG Celle DAR 1996, 64; BVerwG zfs 1996, 117; OLG Naumburg DAR 2003, 573; BayObLG NZV 2005, 592).
Rz. 19
Achtung: Neue Fahrerlaubnisklassen
Mit Einführung des EU-Führerscheines zum 1.1.1999 haben sich die Fahrerlaubnisklassen geändert, sie sind nicht mehr mit den früheren Klassen 1 bis 5 identisch. So berechtigt der "Pkw-Führerschein" der Klasse B nur noch zum Fahren von Pkw und Lkw bis maximal 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht. Der Besitzstand ist jedoch gewahrt, so dass die vor dem 1.1.1999 erworbenen Führerscheine im gleichen Umfang wie bisher weitergelten, d.h., der Inhaber der alten Klasse 3 darf nach wie vor Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 7,5 t fahren.
An der Möglichkeit, von der Sperre bestimmte Fahrerlaubnis-Klassen oder gar einzelne Fahrzeugarten auszunehmen, hat sich durch die Einführung der neuen Führerscheinklassen indessen nichts geändert. Das Gericht kann also nach wie vor von der vorläufigen Entziehung Lastkraftwagen der Klasse B insgesamt ausnehmen. Es kann sogar tenorieren: "Ausgenommen von der Sperre sind Lkw der früheren Klasse 3" (AG Königs-Wusterhausen zfs 2002, 42).
Rz. 20
Tipp: Bindungswirkung
Anders als im Falle der Wiedererteilung, in dem die Verwaltungsbehörde ein ungebundenes Prüfungsrecht hat, ist sie hier durch die gerichtlich gewährte Ausnahme wegen § 3 Abs. 4 StVG gebunden (VG Frankfurt NZV 1991, 207).
a) Unterschiedliche Führerscheinklassen
Rz. 21
Am einfachsten ist die Unterscheidung anhand der Führerscheinklassen vorzunehmen.
Rz. 22
Ausnahmefähig sind sämtliche Fahrzeugarten einer bestimmten Führerscheinklasse (OLG Köln VRS 68, 278; LG Frankenthal DAR 1999, 374; BayObLG NZV 2005, 592):
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Führerscheinklasse 4 (LG Köln DAR 1990, 112); |
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Klasse 5 zum Führen eines Traktors (LG Dessau zfs 1998, 484) oder jetzt Klasse T (Zugmaschinen mit mehr als 32 km/h, AG Miesbach DAR 2001, 138; AG Alsfeld zfs 2010, 168) oder Klasse L (Zugmaschinen bis 32 km/h, mit Anhänger bis 25 km/h, LG Saarbrücken zfs 2002, 307; AG Gießen zfs 2010, 169); |
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Bundeswehrpanzer (LG Detmold DAR 1990, 34). |
Rz. 23
Achtung: Neue Fahrerlaubnisklassen
Die nachfolgenden Entscheidungen gelten entsprechend auch für die neuen Fahrerlaubnisklassen, wobei der Besitzstandsschutz der früheren Klasse 3 auch bei der Ausnahmebewilligung zu berücksichtigen ist (siehe Rdn 19).
b) Fahrzeuge der gleichen Führerscheinklasse
Rz. 24
Da Fahrzeugart und Führerscheinklasse nicht deckungsgleich sind, darf innerhalb der (früheren) Klasse 3 (zum Besitzstandsschutz siehe Rdn 19) zwischen Personenwagen und Lastkraftwagen bis 7,5 t Gesamtgewicht unterschieden werden (OLG Saarbrücken NJW 1970, 1052). Selbst innerhalb der Klasse 5 können Fahrzeuge, auf die der Täter beruflich angewiesen ist, ausgenommen werden (LG Dessau DAR 2000, 87).
Rz. 25
Ansonsten ist alleine maßgebend, ob der Verwendungszweck in der besonderen Bauart des Kraftfahrzeuges seinen Niederschlag gefunden hat (OLG Oldenburg BA 81, 373; BayObLG NZV 2005, 592):
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Lkw der Führerscheinklasse 3 bis 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht (BayObLG VRS 66, 445; LG Köln NZV 1991, 245; AG Bitterfeld zfs 1999, 204). Das gilt selbstverständlich auch nach neuem Führerscheinrecht. Hatte der Täter also einen "alten" zum Führen von Lkw bis 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht berechtigenden Führerschein der Klasse 3, kann das Führen von Lkw der alten Führerscheinklasse, d.h. bis 7,5 t (und nicht nur die neue Klasse C), von der Sperre ausgenommen werden (AG Königs-Wusterhausen zfs 2002, 42); |
Achtung
Diese Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, weil die Klasse C nur zum Fahren von Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht ab 3,5 t berechtigt, während viele Betroffene auf einen Lkw mit einem niedrigeren zulässigen Gesamtgewicht angewiesen sind.
Tipp: Lkw-Zulassung
Aufmerksame Gerichte gewähren eine Lkw-Ausnahme nur ab einem bestimmten Zulassungsmindestgewicht. Wird nämlich die Ausnahme allgemein für Lastkraftwagen zugelassen, könnte der Betroffene unter Umständen sogar einen Pkw fahren, denn die Frage, ob ein Fahrzeug ein Lkw ist, ist alleine von der Art der Zulassung abhängig. Selbst ein Pkw kann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (Trennwand hinter den beiden Vordersitzen und keine hinteren seitlichen Scheiben), als Lkw zugelassen werden.
Achtung: Mercedes-Sprinter
Diese in großer Zahl auf dem Markt befindlichen Fahrzeuge sind als Personenkraftwagen zugelassen. Dennoch stuft sie die überwiegende Rechtsprechung (BayObLG DAR 2003, 469; OLG Jena DAR 2005, 102) unabhängig von der Bezeichnung in den Zulassungspapieren und in der Betriebserlaubnis (wo sie als "Pkw geschlossen" bzw. "entspricht Kombi-Limousine" bezeichnet werden) als Lkw und nicht als Pkw ein, alleine schon im Hinblick auf die erreichbare Höchstgeschwindigkeit von mehr als 160 km/h und...