a) Allgemeines
Rz. 29
Gerade in Fällen, in denen die Ungeeignetheit des Täters auf charakterlichen Mängeln beruht, ist nach h.M. eine Ausnahme i.d.R. ausgeschlossen und nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände gerechtfertigt. Das Gericht muss diese eine Ausnahme rechtfertigenden Umstände ausführlich darlegen und eingehend begründen (BGH NStZ 1983, 168; OLG Hamm BA 2002, 498; BayObLG NZV 1991, 397; AG Frankfurt NZV 2007, 159). Nur wenn zu erwarten ist, dass der Täter durch die verbleibende Sperre ausreichend beeindruckt wird und im Rahmen der ausgenommenen Fahrzeugart keine Gefahr mehr darstellt, ist eine Ausnahme möglich.
b) Berufskraftfahrer
Rz. 30
Die Tatsache, dass die Alkoholfahrt dem Privatbereich zuzuordnen ist und der Verlust des Arbeitsplatzes droht, rechtfertigt grundsätzlich nicht ohne Weiteres, die Bewilligung einer Ausnahme (BayObLG NStZ 1986, 401).
Rz. 31
In Zeiten großer Arbeitslosigkeit sind die Gerichte jedoch dann großzügiger, wenn es sich um einen bewährten Kraftfahrer handelt, der auf reine Dienstfahrten beschränkt bleibt und der Dienstherr scharfe Kontrollen, insbesondere auf Alkoholgenuss, durchführt (z.B. LG Hamburg DAR 1996, 108; AG Königs-Wusterhausen zfs 2002, 42).
Nach der Neufassung des § 9 FeV, kann dies jedoch nur noch für Lastkraftwagen der Klasse 3 gelten, für Fahrerlaubnisse der Klassen C, C 1, D oder D 1 sind keine Ausnahmen mehr möglich (vgl. oben Rdn 8).
c) Wirtschaftliche Gründe
Rz. 32
Wirtschaftliche Gründe rechtfertigen für sich alleine noch keine Ausnahme (BayObLG DAR 1988, 364). Sie können erst dann eine Ausnahme rechtfertigen, wenn die unbeschränkte Entziehung zu einer Existenzgefährdung führen würde (BayObLG VM 89, 59; OLG Koblenz BA 1989, 294), und zwar deshalb, weil sich der damit verbundene Druck auf den Täter bessernd auswirken kann.
d) Besserungsmaßnahmen
Rz. 33
Subjektive Sicherungsmaßnahmen können auch im Nachtatverhalten liegen. Ein Ausnahmegrund kann z.B. darin liegen, dass sich der Täter einer Behandlung unterzogen hat, die ein erneutes Fahren unter Alkoholeinfluss sehr unwahrscheinlich erscheinen lässt. Dies gilt namentlich für eine zwischenzeitlich durchgeführte verkehrspsychologische Maßnahme wie ein Aufbauseminar bzw. sonstige verkehrspsychologische Schulungen (LG Düsseldorf DAR 2008, 597; OLG Karlsruhe DAR 2017, 155; LG Görlitz NZV 2019, 268; a.A. OLG Oldenburg DAR 2019, 216).
e) Ungefährlicheres Fahrzeug
Rz. 34
Ein Ausnahmegrund kann auch die von dem von der Sperre ausgenommenen Fahrzeug ausgehende geringere Gefahr sein. Das wird namentlich auf Fahrzeuge zutreffen, von denen wegen ihrer relativ geringen Eigengeschwindigkeit keine besonders hohen Gefahren ausgehen, wie einem Traktor, Baumaschinen o.Ä. (OLG Karlsruhe DAR 1978, 139; BayObLG VRS 63, 271; LG Saarbrücken zfs 2002, 307), oder einem Lkw, der nur im (auf öffentlicher Verkehrsfläche befindlichen) Baustellenbereich geführt werden kann (OLG Hamm NJW 1971, 1618; AG Mölln zfs 1995, 314).