I. "in dubio pro securitate"
Rz. 14
Wenn auch eine Ausnahmebewilligung nach allgemeiner Meinung rechtlich zulässig ist, gilt hier nach wie vor der Grundsatz "in dubio pro securitate" (OLG Hamm BA 1982, 279 und ähnlich eng wie die zumeist ältere Rechtsprechung: LG Osnabrück zfs 1998, 273). Außerdem ist zu beachten, dass eine "Lkw-Ausnahme" nach Änderung des § 9 FeV nur noch im Rahmen des vorläufigen Entzugs, nicht aber mehr beim Entzug durch Urteil gem. § 69a StGB zulässig ist (siehe oben Rdn 8).
II. Objektive und subjektive Sicherungsmaßnahmen
Rz. 15
Eine Ausnahme darf nur dann bewilligt werden, wenn objektive und subjektive Sicherungsmaßnahmen getroffen sind, die gewährleisten, dass der Täter die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht mehr gefährdet (OLG Celle DAR 1985, 90; BayObLG NZV 2005, 592). Zu den grundlegenden Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahme: OLG Saarbrücken NJW 1970, 1052; BGH NStZ 1983, 168; BayObLG NZV 1991, 193; OLG Düsseldorf DAR 1992, 187.
Rz. 16
Zwei Voraussetzungen müssen sowohl für eine Ausnahme von der Sperre als auch vom vorläufigen Entzug erfüllt sein:
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Die Ausnahme muss sich auf eine bestimmte, von anderen Fahrzeugen bauartbedingt zu unterscheidende Art von Kraftfahrzeugen ("Fahrzeugart") beziehen. |
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Besondere Umstände müssen die Annahme rechtfertigen, dass der Sicherungszweck der Maßnahme durch die Ausnahme nicht gefährdet wird. |
Rz. 17
Diese Voraussetzungen können z.B. dann erfüllt sein, wenn der Täter nur bei Gebrauch eines Pkw auffällig geworden ist und er bei der berufsbedingten Verwendung von Lkw stets besondere Vorsicht hat walten lassen und er auch bei einer Ausnahme zum Führen von Lkw auf berufsbedingte Fahrten beschränkt bleibt (AG Königs-Wusterhausen zfs 2002, 42).
1. Fahrzeugart
Rz. 18
Fahrzeug i.S.d. § 69a Abs. 2 StGB bzw. § 111a Abs. 1 StPO ist nicht identisch mit der Führerscheinklasse. Vielmehr ergibt sich aus § 6 Abs. 1 S. 2 FeV (früher § 5 Abs. 1 S. 2 StVZO), wonach eine Fahrerlaubnis auf einzelne Fahrzeugarten beschränkt werden kann, was unter Fahrzeugart zu verstehen ist (OLG Stuttgart DAR 1975, 305; OLG Celle DAR 1996, 64; BVerwG zfs 1996, 117; OLG Naumburg DAR 2003, 573; BayObLG NZV 2005, 592).
Rz. 19
Achtung: Neue Fahrerlaubnisklassen
Mit Einführung des EU-Führerscheines zum 1.1.1999 haben sich die Fahrerlaubnisklassen geändert, sie sind nicht mehr mit den früheren Klassen 1 bis 5 identisch. So berechtigt der "Pkw-Führerschein" der Klasse B nur noch zum Fahren von Pkw und Lkw bis maximal 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht. Der Besitzstand ist jedoch gewahrt, so dass die vor dem 1.1.1999 erworbenen Führerscheine im gleichen Umfang wie bisher weitergelten, d.h., der Inhaber der alten Klasse 3 darf nach wie vor Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 7,5 t fahren.
An der Möglichkeit, von der Sperre bestimmte Fahrerlaubnis-Klassen oder gar einzelne Fahrzeugarten auszunehmen, hat sich durch die Einführung der neuen Führerscheinklassen indessen nichts geändert. Das Gericht kann also nach wie vor von der vorläufigen Entziehung Lastkraftwagen der Klasse B insgesamt ausnehmen. Es kann sogar tenorieren: "Ausgenommen von der Sperre sind Lkw der früheren Klasse 3" (AG Königs-Wusterhausen zfs 2002, 42).
Rz. 20
Tipp: Bindungswirkung
Anders als im Falle der Wiedererteilung, in dem die Verwaltungsbehörde ein ungebundenes Prüfungsrecht hat, ist sie hier durch die gerichtlich gewährte Ausnahme wegen § 3 Abs. 4 StVG gebunden (VG Frankfurt NZV 1991, 207).
a) Unterschiedliche Führerscheinklassen
Rz. 21
Am einfachsten ist die Unterscheidung anhand der Führerscheinklassen vorzunehmen.
Rz. 22
Ausnahmefähig sind sämtliche Fahrzeugarten einer bestimmten Führerscheinklasse (OLG Köln VRS 68, 278; LG Frankenthal DAR 1999, 374; BayObLG NZV 2005, 592):
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Führerscheinklasse 4 (LG Köln DAR 1990, 112); |
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Klasse 5 zum Führen eines Traktors (LG Dessau zfs 1998, 484) oder jetzt Klasse T (Zugmaschinen mit mehr als 32 km/h, AG Miesbach DAR 2001, 138; AG Alsfeld zfs 2010, 168) oder Klasse L (Zugmaschinen bis 32 km/h, mit Anhänger bis 25 km/h, LG Saarbrücken zfs 2002, 307; AG Gießen zfs 2010, 169); |
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Bundeswehrpanzer (LG Detmold DAR 1990, 34). |
Rz. 23
Achtung: Neue Fahrerlaubnisklassen
Die nachfolgenden Entscheidungen gelten entsprechend auch für die neuen Fahrerlaubnisklassen, wobei der Besitzstandsschutz der früheren Klasse 3 auch bei der Ausnahmebewilligung zu berücksichtigen ist (siehe Rdn 19).
b) Fahrzeuge der gleichen Führerscheinklasse
Rz. 24
Da Fahrzeugart und Führerscheinklasse nicht deckungsgleich sind, darf innerhalb der (früheren) Klasse 3 (zum Besitzstandsschutz siehe Rdn 19) zwischen Personenwagen und Lastkraftwagen bis 7,5 t Gesamtgewicht unterschieden werden (OLG Saarbrücken NJW 1970, 1052). Selbst innerhalb der Klasse 5 können Fahrzeuge, auf die der Täter beruflich angewiesen ist, ausgenommen werden (LG Dessau DAR 2000, 87).
Rz. 25
Ansonsten ist alleine maßgebend, ob der Verwendungszweck in der besonderen Bauart des Kraftfahrzeuges seinen Niederschlag gefunden hat (OLG Oldenburg BA 81, 373; BayObLG NZV 2005, 592):
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Lkw der Führerscheinklasse 3 bis 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht (BayObLG VRS 66, 445; LG Köln NZV 1991, 245; AG Bitterfeld zfs 1999, 20... |