Rz. 17
Die Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung legen in Nr. 3.11.2 fest, dass derjenige, der vom Alkohol abhängig ist, kein Kraftfahrzeug führen kann. Für die Bestimmung der Alkoholabhängigkeit wird dort auf die Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10 Kapitel V, Nr. F1x2) verwiesen. Abhängigkeit ist dort wie folgt definiert:
"Die sichere Diagnose "Abhängigkeit" sollte nur gestellt werden, wenn irgendwann während des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden waren:"
1. |
Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren. |
2. |
Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums. |
3. |
Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums, nachgewiesen durch die substanzspezifischen Entzugssymptome oder durch die Aufnahme der gleichen oder einer nahe verwandten Substanz, um die Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden. |
4. |
Nachweis einer Toleranz. Um die ursprünglich durch niedrige Dosen erreichten Wirkungen der psychotropen Substanz hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich (eindeutige Beispiele sind die Tagesdosen bei Alkoholikern und Opiatabhängigen, die bei Konsumenten ohne Toleranzentwicklung zu einer schweren Beeinträchtigung oder gar zum Tode führen würden). |
5. |
Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügungen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums, erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen. |
6. |
Anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen, wie z.B. Leberschädigung durch exzessives Trinken, depressive Verstimmungen infolge starken Substanzkonsums oder drogenbedingte Verschlechterung kognitiver Funktionen. Es sollte dabei festgestellt werden, dass der Konsument sich tatsächlich über Art und Ausmaß der schädlichen Folgen im Klaren war oder dass zumindest davon auszugehen ist.“ |
Rz. 18
Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit. Ob Alkoholabhängigkeit vorliegt, ist daher nur über ein ärztliches Gutachten zu klären. Ein medizinisch-psychologisches Gutachten ist nicht erforderlich, da ein Abhängigkeitssyndrom nur von einem Facharzt diagnostiziert werden muss. Eine psychologische Komponente, die im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung mit überprüft wird, ist bei dieser Diagnose nicht erforderlich. Entsprechend dem Krankheitscharakter der Alkoholabhängigkeit müssen die Anhaltspunkte für einen entsprechenden Alkoholkonsum nicht in Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen. Bei einer Person, die alkoholabhängig ist, geht es vielmehr darum, dass sich das Risiko für eine Verkehrsteilnahme nicht verwirklicht. Dieses Risiko kann auch anhand eines außerhalb des Straßenverkehrs festgestellten Verhaltens liegen.
Bei einem festgestellten hohen Blutalkoholwert ab etwa 2 Promille ohne Intoxikationserscheinungen kann eine entsprechende Toleranzbildung in Betracht kommen. Geben Auffälligkeiten Anlass zur Annahme, dass bei einem Betroffenen Alkoholabhängigkeit vorliegen könnte, so ist es für die Fahreignung ohne Belang, ob die Vorfälle im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr geschehen sind. Denn eine Alkoholabhängigkeit führt als Krankheit dazu, dass die Fahreignung generell ausgeschlossen ist.
Mitunter neigen Fahrerlaubnisbehörden dazu, eine Alkoholabhängigkeit anhand der in den Akten festgestellten Umstände anzunehmen. Das ist aber – bis auf extreme Ausnahmefälle – nicht möglich, da es dem Verwaltungspersonal einer Behörde an dem erforderlichen medizinischen Fachwissen fehlt. Jedoch können in den Akten sachverständige Einschätzungen enthalten sein – etwa im Rahmen eines Strafverfahrens (insbesondere bei Maßregeln nach § 64 StGB), die die Annahme einer Alkoholabhängigkeit begründen.
Rz. 19
Entsprechend ist in § 13 Nr. 1 FeV festgelegt, dass ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 S. 3 FeV) beigebracht werden muss, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen.
Die Behörde bestimmt in der Anordnung auch, von welchem der im Katalog des § 11 Abs. 2 S. 3 FeV aufgeführten Ärzte das Gutachten zu erstellen ist. Der behandelnde Facharzt kommt hierbei nicht in Betracht (§ 11 Abs. 2 S. 5 FeV).
Rz. 20
Im Falle der Alkoholabhängigkeit ist der Betroffene nicht zum Führen eines Kfz geeignet. Die FE ist – zwingend – zu entziehen (§ 3 Abs. 1 S. 1 StVG, § 46 Abs. 1 S. 1 FeV). Es besteht keinerlei Ermessensspielraum. Entzieht eine Straßenverkehrsbehörde einem ungeeigneten Führerscheininhaber die FE nicht, handelt sie pflichtwidrig.