Rz. 27
§ 13 Nr. 2a FeV regelt zwei Fälle: Nach der Vorschrift ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn
a) |
nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder |
b) |
wenn sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. |
Rz. 28
Wie aus der Gesamtschau mit den in § 13 Nr. 2 FeV geregelten Fällen ersichtlich ist, in denen relativ klare Tatbestandsmerkmale formuliert sind, sind die in § 13 Nr. 2a FeV umschriebenen Tatbestände relativ weit gefasst, insbesondere die zweite Alternative "… wenn sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen."
a) § 13 Nr. 2a Alt. 1 FeV: Anzeichen für Alkoholmissbrauch nach ärztlichem Gutachten
Rz. 29
Diese Regelung dürfte eher selten zur Anwendung kommen. Denn es muss zunächst ein ärztliches Gutachten nach § 13 Nr. 1 FeV – zur Frage der Klärung von Alkoholabhängigkeit – angeordnet und vorgelegt worden sein. Wenn in diesem Gutachten zwar die Alkoholabhängigkeit nicht diagnostiziert werden könnte, sich jedoch nach Ansicht des Arztes Anzeichen für Alkoholmissbrauch ergeben haben, ist (zwingend) ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu fordern, um diese Frage zu klären. Dass der Verordnungsgeber ausdrücklich die Forderung nach einem medizinisch-psychologischen Gutachten festgelegt hat, steht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen, dass bereits ein medizinisches Gutachten vorliegt. Denn der medizinische Untersuchungsmaßstab bei der Begutachtung der Frage, ob Alkoholmissbrauch vorliegt, unterscheidet sich von dem Maßstab bei der Begutachtung der Alkoholabhängigkeit.
b) § 13 Nr. 2a Alt. 2 FeV: Sonstige Tatsachen für die Annahme von Alkoholmissbrauch
aa) Allgemeines
Rz. 30
Diese Tatbestandsvoraussetzung ist weit gefasst, jedoch kein Auffangtatbestand. Reicht es doch aus, dass "sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen". Es kommen also alle tatsächlichen Umstände in Betracht, die darauf hindeuten, dass der Betreffende einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht hinreichend sicher trennen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es um die Anordnung einer Aufklärungsmaßnahme geht, also ein entsprechendes fehlendes Trennvermögen zu klären ist. Es müssen konkrete Zweifel an der Fahreignung bestehen. Es reichen daher nach allgemeinen Grundsätzen Umstände aus, die diesen Mangel als nahe liegend erscheinen lassen. Das wird dann angenommen werden können, wenn ein wenigstens mittelbarer, ein innerer Zusammenhang zwischen dem Alkoholkonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr erkennbar ist. Die Gesamtregelung in § 13 Nr. 2 FeV ist so zu verstehen, dass die Vorschrift grundsätzlich voneinander unabhängige Fälle normiert, in denen wegen ähnlich gewichtiger Hinweise auf eine alkoholbedingte Straßenverkehrsgefährdung die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens als erforderlich anzusehen ist.
Rz. 31
Vor dem Hintergrund der auf dem Spiel stehenden Grundrechte der übrigen Verkehrsteilnehmer (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG schützt Leben und körperliche Unversehrtheit) und mit Blick auf die durch die Verkehrseröffnung durch den Staat sich ergebende Garantenstellung und staatliche Schutzpflicht, werden bei nicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz stehendem Alkoholgenuss Maßnahmen zumindest dann auf § 13 Nr. 2a Alt. 2 FeV gestützt werden müssen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die in der Gesamtschau den polizei- und ordnungsrechtlichen Anforderungen an ein Einschreiten bei Gefahrenverdacht genügen. Dabei ist nicht jeder geringfügige Anhaltspunkt ausreichend. Es müssen vielmehr in dem genannten Sinn erhärtete Tatsachen vorliegen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch rechtfertigen können. Anonyme Hinweise reichen ebenso wenig aus wie bloße Vermutungen. Untersuchungen "ins Blaue" hinein bleiben auch hier rechtswidrig.
Rz. 32
Der Gefahrenverdacht, der Gefahrenerforschungsmaßnahmen und Gefahrenerforschungseingriffe rechtfertigt, ist nämlich gerade an einen Rechtsrahmen gebunden. Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen von Gefahrenerforschungseingriffen hat das BVerwG beschrieben. Auf diese Entscheidung des BVerwG verweist auch das BVerfG in seiner Cannabisentscheidung.
Rz. 33
Danach ist die Gutachtenanforderung nur rechtmäßig, wenn
1. |
aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung des betroffenen Kraftfahrers bestehen und |
2. |
die angeordnete Überprüfung ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel ist, um gerade die konkret entstandenen Eignungszweifel aufzuklären. |
Diese Grundsätze gelten auch hier.
Rz. 34
Die Beachtung der soeben beschriebenen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Zusammenhang mit dem Gefahrenverdacht enthebt die Behörde aber nicht von ihrer Verpflichtung zu exakter Untersuchung im Einzelfall. Bei Fällen eines greifbaren Gefahrenverdachts darf die Behörde – übrigens auch vor dem Hintergrund geltenden Amtshaftungsrechts – ...