Rz. 57

Ein medizinisch-psychologisches Gutachten ist beizubringen, wenn die FE aus einem der in § 13 Nr. 2 lit. a–c genannten Gründe entzogen war, § 13 Nr. 2d FeV. Diese Regelung setzt also einen vorangegangenen Entzug voraus. Hier geht es um den Nachweis der wieder gewonnenen Fahreignung. Eine entsprechend dauerhafte Änderung des Verhaltens des Betroffenen muss über eine medizinisch-psychologische Untersuchung nachgewiesen werden.

 

Rz. 58

Hier geht es also um eine zuvor ergangene Entziehung aufgrund von

Anzeichen für Alkoholmissbrauch oder sonstigen Tatsachen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründeten,
wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr, die unter Alkoholeinfluss begangen wurden,
Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr.

Allein eine niedrigere Alkoholkonzentration als 1,6 Promille rechtfertigt nicht die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Der Normgeber hat durch die Regelungen in § 13 Nr. 2b und c FeV gezeigt, dass die Forderung nach Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgrund einer einmaligen Fahrt unter Alkoholeinfluss erst dann gerechtfertigt ist, wenn eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr erreicht ist.[94]

 

Rz. 59

In der neueren Rechtsprechung[95] wird die Auffassung vertreten, dass bei einem strafgerichtlichen Entzug der FE die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen festgestellt worden ist.

Dem ist aber entgegenzutreten. Es hätte der Festlegung des Grenzwerts von 1,6 Promille BAK in § 13 Nr. 2 lit. c FeV nicht bedurft, wenn entsprechende Eignungszweifel über § 13 Nr. 2 lit. a FeV zu rechtfertigen wären.[96] Neu ist, dass diese Ansicht meint, sich auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts[97] stützen zu können. Das ist jedoch nicht überzeugend. Denn in dem zitierten Beschluss ist nichts zum Verhältnis von § 13 Nr. 2 lit. d FeV und § 13 Nr. 2 lit. a FeV, dem eigentlichen Kernproblem, ausgesagt. Dort ist lediglich festgehalten, dass der in § 13 S. 1 Nr. 2 lit. d FeV genannte Entzug auch den Entzug im strafgerichtlichen Verfahren umfasst.[98]

Die Ansicht, dass bei einem strafgerichtlichen Entzug aufgrund einer einmaligen Trunkenheitsfahrt unter 1,6 Promille BAK der Tatbestand des § 13 S. 1 Nr. 2 lit. a FeV festgestellt sei ("Tatbestandswirkung"), ist abzulehnen. Zum einen wird damit § 13 S. 1 Nr. 2 lit. a FeV als Auffangtatbestand angesehen, was diese Norm aber nicht ist.[99] Zum anderen hätte es – wie oben bereits dargestellt – der Festlegung des Grenzwerts von 1,6 Promille BAK in § 13 S. 1 Nr. 2 lit. c FeV nicht bedurft, wenn entsprechende Eignungszweifel über § 13 S. 1 Nr. 2 lit. a FeV zu rechtfertigen wären. Für § 13 S. 1 Nr. 2 lit. d FeV bleibe schließlich im Neuerteilungsverfahren kaum ein Anwendungsbereich, da eine einmalige Trunkenheitsfahrt ab einer BAK von 1,1 Promille für den Inhaber einer FE grundsätzlich zu deren Entziehung im Strafverfahren führt. Im Übrigen würde das zu willkürlichen Ergebnissen führen: Bei einer Trunkenheitsfahrt zwischen 1,1 und 1,6 Promille würde das Strafgericht eine isolierte Sperrfrist nach § 69a Abs. 1 S. 3 StGB verhängen. Ein solcher Fall wäre aber auch nach der Auffassung des VGH Mannheim und des OVG Mecklenburg-Vorpommern nicht von § 13 S. 1 Nr. 2 lit. d FeV erfasst.[100] Schließlich ist ein Alkoholmissbrauch im Sinne der Fahrerlaubnis-Verordnung in Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV in einer Legaldefinition umschrieben. Ein Alkoholmissbrauch liegt danach vor, wenn das Führen eines Kraftfahrzeugs und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden. Fachlich eingehender ist das in Nr. 3.13.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung[101] beschrieben. Der repressive Charakter des Entzugs der FE als Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 61 Nr. 5 StGB) muss von den Voraussetzungen für die Anordnung einer MPU im Rahmen der Gefahrenabwehr auf Grundlage der Fahrerlaubnis-Verordnung unterschieden werden. Denn der Entzug der FE im Strafverfahren hat eine Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit, die in der Tat zum Ausdruck gekommen ist, zum Ausgangspunkt. Aus der Anlasstat werden Rückschlüsse gezogen, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen (kriminellen) Zielen unterzuordnen.[102]

Die gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17.11.2015[103] zugelassene Revision wurde eingelegt. Die höchstrichterliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht ist abzuwarten.

 

Rz. 60

Steht eine strafrechtliche Auffälligkeit in Zusammenhang mit dem Straßenverkehr im Raum, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential bestehen, bei welcher der Betroffene auch alkoholisiert war, ist das Aggressionspotential zu untersuchen, was die Anordnung zur Beibringung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nach § 11 Abs. 3 Nrn. 6 und 7 F...

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