A. Allgemeine Regeln
I. Einführung
Rz. 1
Das zweite Buch des BGB befasst sich mit dem Recht der Schuldverhältnisse. Schuldverhältnisse sind Verhältnisse unter natürlichen oder juristischen Personen, durch die diese Personen zu etwas verpflichtet werden. Das Schuldrecht beschreibt damit "Soll"-Verhältnisse.
Beispiel
A und B schließen einen Kaufvertrag, wobei A die Verkäuferin und B der Käufer ist. Nach § 433 BGB ist A zur Übergabe und Eigentumsverschaffung an der verkauften Sache, B zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet.
Rz. 2
Anders als das Schuldrecht beschreibt dagegen das Sachenrecht "Ist"-Verhältnisse.
Beispiel
Nimmt man das vorstehende Beispiel, so ist der Eigentumserwerb vollzogen, wenn A und B gem. § 929 BGB darüber einig sind, dass das Eigentum von A auf B übergehen soll und wenn nach oder gleichzeitig mit dieser (dinglichen) Einigung die Übergabe (= Realakt) der Sache an B (Erwerber) erfolgt.
Rz. 3
Der zentrale Begriff im Schuldrecht ist der des Anspruchs. Der Anspruch richtet sich in der Regel auf ein Tun oder Unterlassen. Der Anspruchsinhaber, auch Gläubiger genannt, kann von einem anderen, der Schuldner heißt, eine Leistung oder ein Unterlassen verlangen. Sowohl Gläubiger als auch Schuldner können natürliche und juristische Personen sein.
Das Schuldrecht gliedert sich in einen allgemeinen und einen besonderen Teil, wobei auch hier gilt, dass die allgemeinen Regeln für die im besonderen Teil genannten Rechtsgebiete gelten, soweit dort nicht den allgemeinen Regeln vorgehende Spezialregeln enthalten sind.
II. Treu und Glauben
Rz. 4
Das gesamte Schuldrecht wird geprägt vom Grundsatz von Treu und Glauben, wie er in § 242 BGB definiert ist. Danach hat der Schuldner seine Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Dieser Grundsatz war Grundlage für eine Vielzahl von der Rechtsprechung entwickelter Rechtsinstitute, wie die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage, von der Verwirkung oder dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens.
III. Schuldarten
Rz. 5
Man unterscheidet in Gattungs- und Speziesschulden. Gattungsschulden sind solche, die auf die Leistung einer nur der Gattung nach bestimmten Sache gerichtet sind, z.B. auf die Lieferung von 100 l Weißwein. Gemäß § 243 BGB hat der Schuldner bei Vorliegen einer Gattungsschuld Sachen mittlerer Art und Güte zu leisten.
Demgegenüber liegt eine Speziesschuld (Stückschuld) vor, wenn eine ganz genau bestimmte Sache zu liefern ist.
Beispiel:
A kauft beim Gebrauchtwagenhändler G einen auf dessen Hof stehenden Alfa-Romeo.
Geschuldet ist in diesem Fall genau dieses Auto und nicht etwa ein Gebrauchtwagen mittlerer Art und Güte.
Zu beachten ist, dass sich eine Gattungsschuld durch Konkretisierung in eine Speziesschuld wandelt.
Beispiel:
A bestellt bei Händler H einen neuen VW Golf. H erhält nach einiger Zeit eine Lieferung von drei VW Golf, die der Bestellung des A entsprechen. Wählt H nun eines dieser Fahrzeuge zur Auslieferung an A aus, so wandelt sich die Gattungs- zur Speziesschuld.
IV. Arten von Schuldverhältnissen
Rz. 6
Die Schuldverhältnisse gliedern sich in zwei grundsätzliche Gruppen, nämlich die rechtsgeschäftlichenund diegesetzlichenSchuldverhältnisse.
1. Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse
Rz. 7
Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse kommen durch Rechtsgeschäft, d.h. regelmäßig durch Vertrag oder dessen Aufhebung zustande.
Beispiel:
A kauft von B einen Tisch. Hier liegt ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis zwischen A und B in Form eines Kaufvertrages vor.
B tritt wegen erheblicher Sachmängel vom Vertrag zurück. Der Vertrag wandelt sich in ein sog. Rückgewährschuldverhältnis, das ebenfalls rechtsgeschäftlicher Natur ist.
2. Gesetzliche Schuldverhältnisse
Rz. 8
Gesetzliche Schuldverhältnisse entstehen aus einer bestimmten Situation oder Handlung einer Person, wobei das Gesetz bestimmte Rechtsfolgen bestimmt, ohne dass ein weiteres Zutun der Beteiligten, insbesondere nicht die Abgabe von Willenserklärungen, erforderlich ist.
Beispiel:
A schlägt B, dessen Brille daraufhin zerbricht. Durch diese Handlung ist A dem B gem. § 823 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Das Gesetz knüpft die Rechtsfolge der Schadensersatzpflicht an die Handlung, den Schlag des A, an.
Rz. 9
Das BGB sieht im Schuldrecht drei gesetzliche – später im Einzelnen beschriebene – Arten von Schuldverhältnissen vor. Dies sind Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung, §§ 823 ff. BGB, aus ungerechtfertigter Bereicherung, §§ 812 ff. BGB und aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB).
V. Rechenschaftslegung
Rz. 10
Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen und Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthaltende Rechnung vorzulegen und, soweit dies üblich ist, Belege beizufügen (§ 259 BGB).
Beispiel
Der in Köln lebende A besitzt in Leipzig mehrere Mietshäuser, die er der dort ansässigen B-Immobilienverwaltungs-GmbH übertragen hat. Die B-GmbH lässt von den eingenommenen Mieten diverse Instandhaltungsreparaturen ausführen, außerdem führt sie die anfallenden Steuern und Abgaben ab.
Die B-GmbH ist hier verpflichtet, dem A Rechenschaft abzulegen, d.h. eine o...