Rz. 47

Nachdem im vorherigen Kapitel das Nettoeinkommen berechnet wurde und davon die fixen Kosten abgezogen wurden, muss nunmehr dieser errechnete Betrag auf die einzelnen Unterhaltsberechtigten verteilt werden. Hierfür dient die Tabelle 1 (siehe Rdn 29). Diese Verteilung auf die Unterhaltsberechtigten erfolgt nach Unterhaltsquoten. Der BGH hat solche Quoten gebilligt (BGH VersR 1986, 264). Der Anwalt, der einen solchen Fall zu berechnen hat, muss schauen, ob der Getötete ein Alleinverdiener war oder ob eine Doppelverdienerehe vorlag. Handelte es sich um eine Alleinverdienerehe, wird die Tabelle 1 angewandt. Bei einem Doppelverdiener verwendet man die Tabelle 2. Man unterscheidet in der Regulierungspraxis zwischen Alleinverdienerehen und Doppelverdienerehen deswegen, weil die Ansicht vertreten wird, dass der Alleinverdiener berufsbedingte Mehraufwendungen hat, die nicht mit denjenigen von Doppelverdienern zu vergleichen sind.

 

Praxistipp

Die Unterhaltquoten sind, wie vorstehend bereits erwähnt, kein Dogma. Sollte der Anwalt in seinem Fall zu dem Ergebnis gelangen, dass die Quoten auf den vorliegenden Sachverhalt nicht passen, weil der Grad der Teilhabe am Familieneinkommen mit den Quoten nicht kompatibel ist, so muss versucht werden, mit dem Versicherer über andere Quoten zu verhandeln. In der Literatur wird zum Beispiel die Auffassung vertreten, dass bei einem Getöteten, einer Witwe und einem Kind nicht die Quote von 45 %, 35 % und 20 % anzuwenden ist, sondern stattdessen 45 %, 40 % und 15 % (Drees, S. 38). Eckelmann/Nehls, S. 119, wiederum vertreten andere Quoten und unterscheiden zusätzlich noch hinsichtlich des Alters der Kinder. In der Praxis sind jedoch die hier abgedruckten Quoten der Tabelle 1 durchaus zu verwenden. Aus Praktikabilitätsgründen werden daher diese Quoten in den Beispielfällen angewandt. Je nach Verhandlungsgeschick kann der Anwalt es jedoch erreichen, zugunsten seines Mandanten eventuell hiervon abzuweichen.

In einem Regulierungsgespräch hilft mitunter auch der Hinweis darauf, dass die in der Praxis durchgesetzten und hier abgedruckten Quotentabellen nur teilweise höchstrichterlich bestätigt sind. Diese Tabellen sind auch nicht wissenschaftlich durch Vergleichsstudien begründet worden. Die Idee dieser Quoten stammt von den Versicherern selbst, um Geld zu sparen. Es ist daher in jedem Einzelfall konkret der Mandant zu befragen, ob die individuellen Verhältnisse einen erhöhten Unterhaltsbedarf rechtfertigen, der es ermöglicht, zugunsten des Geschädigten von einer anderen Unterhaltsquote auszugehen. Diese Argumentation sollte immer bei der Regulierungspraxis im Auge behalten werden. In zahlreichen Regulierungsgesprächen konnten die Verfasser deshalb auch im Vergleichswege höhere Unterhaltsbeträge für den Mandanten erhalten.

Soll der Anwalt dagegen den Unterhaltsschaden eines Kindes (eines Waisen) ausrechnen, muss er in der Tabelle 1 oder 2 unter der Rubrik der Kinder die entsprechenden Zahlen ablesen. Auch hier haben sich in der Praxis Unterhaltsquoten herausgebildet, die in Tabelle 1 und Tabelle 2 festgehalten sind. Der BGH vertritt zwar die Auffassung, dass man bei den Waisen noch nach dem jeweiligen Alter zu unterscheiden habe. In der Regulierungspraxis ist dies jedoch extrem schwer durchzusetzen, da die Kinder dann jeweils, wenn sie älter werden, einer anderen Stufe zuzuordnen sind und außergerichtlich die Akte dann in der Regel nicht abgeschlossen werden kann, weil die Ansprüche immer neu zu berechnen sind. Von daher verwendet man in der Praxis auch bei den Kindern die Unterhaltsquoten entsprechend der Tabellen 1 oder 2.

 

Praxistipp

In der Regulierungspraxis kann hier jedoch am Ende der Regulierung noch einmal deutlich zugunsten der Kinder nach oben abgewichen werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH VersR 1987, 1243) hängt der unterschiedliche Unterhaltsbedarf der Kinder vom Alter ab. Genau aus diesem Grunde vertreten zum Beispiel auch Eckelmann/Nehls, S. 117, die Auffassung, dass die in der Praxis durchgesetzten und hier abgedruckten Quoten für Kinder viel zu niedrig angesetzt sind. Der Anwalt, der Kinder vertritt, hat daher bei einem Regulierungsgespräch gute Chancen, den tatsächlichen persönlichen Unterhaltsbedarf seines Mandanten höher anzusetzen als in der pauschalisierten Quotentabelle. Versicherer wollen in der Regel aus Kostengründen die Akte schließen und daher abfinden. Sie könnten die Akte jedoch nicht abfinden, wenn nach den Altersstufen, wie sie der BGH zugrunde legt, die Berechnungen zu erfolgen haben, denn in diesem Fall müsste für jedes Kind neu gerechnet werden, wenn dieses in eine neue Altersstufe kommt. Aus Praktikabilitätsgründen bilden daher die abgedruckten Quoten eine annehmbare Basis für die Berechnung des Unterhaltsschadens bei Kindern. Anschließend können Zuschläge vorgenommen werden, wenn dies aufgrund des persönlichen Unterhaltsbedarfs angebracht ist. Diese Auffassung ist auch in der Mehrzahl der Fälle im Interesse der Mandanten, da die Geschädigte...

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