Rz. 115

Vertritt man die Auffassung, dass das moderne Rollenbild der Ehe nicht so ausgestaltet ist, dass der Alleinverdiener im Haushalt mit Kindern nach Beendigung seiner Arbeitstätigkeit gar nichts mehr verrichtet, so kann die Witwe in diesem Fall einen eigenen Haushaltsführungsschaden geltend machen, wenn ihr alleinverdienender Ehemann verstirbt. Sein Anteil an der Hausarbeit betrifft in diesem Musterfall die Miterziehung des Kindes, Gartenarbeit am Wochenende und den gemeinsamen Wochenendeinkauf mit der Ehefrau. Das sollen vorliegend 20 % der Hausarbeit für die Gesamtfamilie sein. Dies bedeutet dann für die Ehefrau, dass sie diesen Anteil beim Tod des Ehemanns als Haushaltsführungsschaden geltend machen kann. Die Berechnung dieses Haushaltsführungsschadens erfolgt nach der 4-Schritt-Methode. Im Grunde genommen ist dieselbe Methode anzuwenden, die zuvor bei den Ansprüchen des Witwers angewandt wurde. Es wird auf die einzelnen Schritte dort verwiesen. Daher werden hier nur die Besonderheiten oder die Abweichungen innerhalb der 4-Schritt-Methode erwähnt:

aa)1. Schritt: Berechnung des wöchentlichen Arbeitszeitbedarfs beim reduzierten Haushalt

 

Rz. 116

In einem ersten Schritt ist der Arbeitszeitbedarf der Tabelle 2 (IFH-Tabelle/Schah Sedi, § 5 Rn 1 ff.) zu entnehmen.

 

Rz. 117

Wenn Kinder zum Haushalt gehören, findet die Tabelle 4 (IFH-Tabelle/Schah Sedi, § 7 Rn 6 ff.) ergänzend Anwendung.

bb)2. Schritt: Abzug der Mithilfepflicht der Hinterbliebenen (Ehemann, Ehefrau, Waisen) in Wochenstunden

 

Rz. 118

Auch hier verweisen wir auf die Ausführungen, die bereits zuvor gemacht wurden (siehe Rdn 105).

(1) Ehepartner

 

Rz. 119

Geht man beispielsweise davon aus, dass die überwiegende Hausarbeit von der nicht berufstätigen Ehefrau erledigt wurde, so ist es angemessen, die Mithilfepflicht der Ehefrau mit 80 % anzusetzen. Konkret bedeutet dies, dass der Ehemann als Alleinverdiener 20 % im Haushalt hilft. An dieser Stelle wird die Einvernehmensregelung wieder relevant. Die Absprache muss der Versicherer gegen sich gelten lassen. Dies ist nur dann nicht zulässig, wenn es sich um ein krasses Missverhältnis handelt. Davon ist beim Alleinverdiener mit 20 % Haushaltsführungstätigkeit jedoch nicht auszugehen.

(2) Kinder (Waisen)

 

Rz. 120

Auch insofern wird auf die Ausführungen im vorherigen Beispiel verwiesen (siehe Rdn 114). Sollten Kinder vorhanden sein, müssen diese im Haushalt ab einem bestimmten Lebensjahr mithelfen (§ 1619 BGB). Die Rechtsprechung nimmt bei 14-jährigen Kindern eine Mithilfepflicht von 7 Stunden wöchentlich an.

(3) Abzug Mitarbeitspflicht

 

Rz. 121

Die oben genannten Werte sollen ebenfalls anhand eines Beispiels näher erläutert werden. Der Ehemann ist Alleinverdiener, er verunglückt tödlich, Das Nettoeinkommen beträgt 3.500,00 EUR/Monat. Die Mitarbeitspflicht der Ehefrau beträgt nach Absprache 80 %. Der Sohn ist 7 Jahre alt.

In diesem Fall würde sich der Abzug der wöchentlichen Mitarbeitspflicht der Hinterbliebenen wie folgt berechnen.

 
Tabelle 2 (IFH-Tabelle/Schah Sedi, § 5 Rn 1 ff.) 205,00 Std./Monat
Tabelle 4 (IFH-Tabelle/Schah Sedi, § 7 Rn 6 ff.) 133,06 Std./Monat
Summe 338,06 Std./Monat
80 % Mithilfepflicht Ehefrau 270,44 Std./Monat

Eine Mithilfepflicht des Kindes ist nicht abzuziehen, da dieses Kind noch keine 14 Jahre alt ist.

 

Rz. 122

Vom Arbeitszeitbedarf im reduzierten Haushalt ist die tatsächlich geleistete Tätigkeit (Summe der Anteile von Frau und Mann der Tabelle 1 und 4) abzusetzen wie folgt:

 
Tabelle 1 (Frau + Mann) (3 Personenhaushalt) 173,28 Std./Monat
95,15 Std./Monat
+ Tabelle 4 133,06 Std./Monat
Summe 401,49 Std./Monat
davon 20 % laut Einvernehmensregelung für den Ehemann 79,99 Std./Monat

Das heißt:

 
Arbeitszeitbedarf reduzierter Haushalt (siehe Rdn 121) 338,06 Std./Monat
abzgl. Mithilfepflicht Ehefrau (80 % laut Einvernehmensregelung) 321,19 Std./Monat
Schadensersatzanspruch 16,87 Std./Monat

cc)3. Schritt: Multiplikation dieser errechneten Wochenstundenzahl mit dem Stundenlohn einer Hilfskraft (TVöD)

 

Rz. 123

Nachdem der wöchentliche Arbeitszeitbedarf unter Abzug der Mitarbeitspflicht ausgerechnet wurde, muss dieser nun mit dem Stundenlohn einer Ersatzkraft multipliziert werden. Anwendbar ist gemäß TVöD Tabelle 7 (IFH-Tabelle/Schah Sedi, § 10 Rn 2) der Betrag in Höhe von 10,93 EUR netto pro Std. Es ergibt sich der Betrag wie folgt: 16,87 Std./Monat x 10,93 EUR/Std. = 184,39 EUR/Monat.

dd)4. Schritt: Aufteilung errechneter monatlicher Nettoschaden auf die Hinterbliebenen nach Quoten (Witwe, Witwer, Waisen nach Tabelle 4)

 

Rz. 124

In den drei vorherigen Schritten wurde der monatliche Nettobetrag des Haushaltsführungsschadens errechnet. Dieser Betrag ist in dem vierten Schritt auf die Hinterbliebenen, d.h. auf den überlebenden Ehegatten und das Kind, aufzuteilen. ⅔ entfallen auf die Witwe (122,93 EUR/Monat) und ⅓ auf das Kind (61,46 EUR/Monat). Hier gilt die Tabelle 4 Rdn 108.

 

Rz. 125

Als fünfter Schritt ist wiederum die Unterhaltsersparnis (Vorteilsausgleich) zu berücksichtigen. Im Ergebnis bleibt daher oftmals in dieser Fallgruppe kein Haushaltsführungsschaden übrig. Die Unterhaltsersparnis ist dem Mandanten oftmals auch sehr schwer zu vermitteln, da keine Witwe oder kein Witwer einen Vorteil darin sieht, wenn die Ehefrau oder der Ehemann "wegfällt". Es gibt aber die Rechtsprechung des BGH (VersR 84,189; VersR 84, 79) dazu. Gleichwohl sollte versucht werden, in einem Regulierungsgespräch diese Rechtsprechung in Frage zu stellen. Denn dogmatisch lässt sich der Vorteilsausgleich nur schwer begründen. Im E...

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