I. Allgemeines

 

Rz. 66

Ein in der Praxis wichtiges Arbeitsgebiet ist die PKH/VKH (zukünftig nur noch PKH) sowie der Umgang mit Mandanten, die u.U. einen Anspruch auf PKH haben. In diesem ­Kapitel ist dieses Thema mit der Hilfe von Beispielen und Musterformularen den Kanzleimitarbeitern eine Orientierungshilfe und Unterstützung, die evtl. in der Praxis bisher gar nicht oder sehr selten mit PKH und der Abwicklung konfrontiert sind.

 

Rz. 67

Die gesetzlichen Grundlagen für PKH im Zivilprozess sind in den §§ 114–127 ZPO geregelt. Wie dem Wort schon entnommen werden kann, kann PKH ausschließlich nur für ein gerichtliches Verfahren beantragt und bewilligt werden.

 

Rz. 68

Ein Mandant, der wegen eines vorgerichtlichen Mahnschreibens von dem RA einen Rat, Auskunft oder die vorgerichtliche Vertretung in seiner Angelegenheit sucht, kann wegen dieser Angelegenheit keinen PKH-Antrag stellen (s. auch Rdn 1, 8).

 

Rz. 69

 

Beispiel 1:

In Ihrer Kanzlei erscheint Mandant M mit einer Mieterhöhung des Vermieters von einer Miete i.H.v. 450,00 EUR um 50,00 EUR/monatlich, insgesamt auf 500,00 EUR/monatlich. Er bittet darum, die gem. § 588 BGB ausgesprochene Mieterhöhung von dem RA prüfen zu lassen.

Für diese Tätigkeit wird keine PKH bewilligt, da es sich um eine vorgerichtliche Angelegenheit handelt. Sofern die Voraussetzungen vorliegen, kann für diese Angelegenheit in diesem Stadium allenfalls Beratungshilfe bewilligt werden.

 

Rz. 70

 

Beispiel 2:

Erscheint der Mandant M aber mit einer Klageschrift, mit der auf Zustimmung zur Mieterhöhung geklagt wird und will der Mandant M sich gegen diese Klage zu Wehr setzen, kann ein Antrag auf Bewilligung von PKH bei dem Prozessgericht gestellt werden. Dem Antrag wird, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, durch Beschluss stattgegeben.

II. Voraussetzungen für die Bewilligung

 

Rz. 71

 

§ 114 ZPO

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

 

§ 76 FamFG

Voraussetzungen

(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung anfechtbar

1. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse

 

Rz. 72

PKH erhält, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur teilweise oder nur in Raten in der Lage ist, die Kosten des Rechtsstreits aus eigenen Mitteln aufzubringen. Grds. hat jede Partei, die einen Antrag auf Bewilligung von PKH stellt, ihr Einkommen und Vermögen einzusetzen, um den Prozess aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Zum Einkommen gehört Geld und Geldeswert (Geldeswert = z.B. Sachbezüge, kostenfreies Wohnen o.Ä.).

 

Rz. 73

Da aber diejenigen, die nur über ein sehr geringes oder gar kein Einkommen verfügen denen gegenüber, die in der Lage sind, einen Prozess zu finanzieren, nicht benachteiligt werden sollen, besteht die Möglichkeit, PKH zu beantragen, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist.

 

Rz. 74

Ein Schlagwort ist z.B. die "Bedürftigkeit", dass ein "Hartz-IV-Empfänger", der neben diesem Einkommen keinerlei weiteres Einkommen oder Vermögen hat, die Voraussetzung hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erfüllt, ist eher unproblematisch.

 

Rz. 75

Wie sieht es aber aus, wenn es sich bei dem Mandanten, der PKH beantragt, um jemanden handelt, der ein Einkommen aus selbstständiger oder nicht selbstständiger Tätigkeit bezieht. Darauf wird anhand des folgenden Fallbeispiels eingegangen.

 

Beispiel 1:

Der 35-jährige Mandant M begehrt die Scheidung seiner Ehe. Nach Abzug der Steuern, Pflichtversicherungsbeiträge zur Sozialversicherung, Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung verfügt er über ein Nettoeinkommen i.H.v. 1.400,00 EUR.

Er hat ein minderjähriges Kind, dem er Unterhalt i.H.v. 300,00 EUR monatlich gewährt.

Daneben zahlt er einen Ratenkredit i.H.v. 150,00 EUR zur Finanzierung eines Gebrauchtwagens. Die Miete einschließlich Betriebs- und Heizkosten beträgt 480,00 EUR. In dem ersten Beratungsgespräch mit dem RA erkundigt sich der Mandant, ob die Möglichkeit besteht, VKH zu beantragen, da ihm nach Abzug seiner Fixkosten lediglich 470,00 EUR "zum Leben" verbleiben.

 

Rz. 76

 

Hinweis:

Hinsichtlich einer etwaigen Belehrungspflicht des RA gegenüber seinem Auftraggeber wegen...

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