Rz. 189
Es wurde bereits einleitend darauf hingewiesen, dass die korrespondierenden Kapitalwerte nichts darüber aussagen, welche Höhe eine Rente hat, die ein Ausgleichsberechtigter im Versorgungsausgleich erwirbt. Allein dass er die Hälfte des Kapitalwerts übertragen erhält, bedeutet im Regelfall nicht, dass er auch ein halb so hohes Anrecht erwirbt, wie es der Ausgleichspflichtige hatte. Wegen der unterschiedlichen Sterbetafeln für Männer und Frauen und den unterschiedlichen Eintrittsaltern werden vielmehr im Regelfall die aus dem identischen Kapitalwert fließenden Versorgungen unterschiedlich sein, wenn der Kapitalwert zur Bestimmung des Ausgleichswerts herangezogen wird.
Rz. 190
Erschwert wird die Beurteilung weiter dadurch, dass der korrespondierende Kapitalwert die Vergleichbarkeit von Versorgungen suggeriert, wo schon aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltungen der Versorgungen keine Vergleichbarkeit besteht. Nur innerhalb gleichartiger Versorgungssysteme ermöglicht der korrespondierende Kapitalwert wirklich eine Vergleichbarkeit. In allen anderen Fällen helfen nur versicherungsmathematisch exakt ausgerechnete Barwerte. Daraus folgt: Bevor die korrespondierenden Kapitalwerte zum Vergleichsmaßstab erhoben werden können, muss genau geprüft werden, ob die verglichenen Versorgungssysteme wirklich gleichartig in Risikoabsicherung, Leistungsumfang, Finanzierung, Dynamik usw. sind. Dazu gelten die Überlegungen zu § 18 VersAusglG entsprechend (siehe unten § 8 Rdn 37 ff.).
Rz. 191
In noch höherem Maße gelten diese Überlegungen, wenn es um einen Vergleich von korrespondierenden Kapitalwerten mit Werten aus anderen Ausgleichssystemen (Zugewinnausgleich, Unterhaltsabfindung) geht. Im Zugewinnausgleich wird etwa regelmäßig auf den Verkehrswert abgestellt. Dieser ist aber ein Veräußerungswert, während im Versorgungsausgleich ein Einkaufswert herangezogen wird.
Rz. 192
Noch gravierender ist, dass im Zugewinnausgleich das Nettoprinzip gilt, dass also tatsächlich oder latent bei der Veräußerung eintretende steuerliche Belastungen wertmindernd berücksichtigt werden müssen, während im Versorgungsausgleich das Bruttoprinzip gilt, so dass steuerliche Belastungen oder solche durch Sozialversicherungsbeiträge nicht in Betracht kommen. Stellt man also den korrespondierenden Kapitalwert einer Versorgung unkritisch dem im Zugewinnausgleich ermittelten Verkehrswert eines Vermögensgegenstandes gegenüber, werden die sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen verglichen. Hier hilft nur eine exakte versicherungsmathematische Bewertung des Anrechts weiter. Ebenso wenig dürfen die vom Versorgungsträger mitgeteilten Werte in den Zugewinnausgleich übernommen werden, wenn festgestellt wird, dass entgegen der Einschätzung des Versorgungsträgers die Versorgung doch nicht im Versorgungsausgleich, sondern im Zugewinnausgleich zu berücksichtigen ist.
Rz. 193
Schließlich kommt erschwerend hinzu, dass v.a. im güterrechtlichen Ausgleichssystem auf andere Zeitpunkte abgestellt wird als im Versorgungsausgleich. Während im Zugewinnausgleich wegen Scheidung oder im vorzeitigen Zugewinnausgleich (den es im Übrigen im Versorgungsausgleich nicht gibt) exakt auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bzw. des Antrags auf vorzeitigen Zugewinnausgleich abzustellen ist (§§ 1384, 1387 BGB), ist beim Versorgungsausgleich das Ende des Monats maßgebend, der diesem Tag vorausgeht (§ 3 Abs. 1 VersAusglG). Zudem sind hier weitere Entwicklungen zu berücksichtigen (§ 5 VersAusglG), während das im Zugewinnausgleich nicht der Fall ist. Angesichts desunterschiedlichen Stichtagsprinzips kann es deswegen dazu kommen, dass die verglichenen Werte eine Vermögensbilanz abbilden, die es in Wirklichkeit nie gegeben hat.