Dr. Wolfgang Kürschner, Dr. iur. Holger Fahl
Rz. 42
Die §§ 249 ff. BGB (vgl. dazu auch § 12 Rdn 1 ff.) gelten grundsätzlich auch im Binnenschifffahrtsrecht. Ersatzfähig ist unmittelbarer und mittelbarer Schaden, der beispielsweise aus einer Schiffskollision resultiert. Unterschieden wird üblicherweise zwischen "Kaskoschaden" (vom spanischen casco = Schiffsrumpf), "Ladungsschaden" und dem "Nutzungsverlustschaden".
Rz. 43
Bei Beschädigung des Schiffes kann der Schiffseigner seinen Schaden entweder konkret oder abstrakt berechnen (tatsächliche Reparaturkosten oder die von Experten festgesetzten Reparaturkosten ohne Durchführung der Reparatur; zur Bedeutung der kontradiktorischen Schadenstaxe vgl. Rdn 55). Bei Ersatz von Zubehör und Inventar kann ein Abzug neu für alt erforderlich sein. Zum Umfang des Abzugs "neu für alt" bei Aufwendungen für die Ersatzbeschaffung einer beschädigten Sache, wenn die Wiederherstellungskosten schadensbedingt erhöht waren (hier: Austausch eines Dalbens aus einer Dalbengruppe). Schadensersatzansprüche des Eigentümers einer Brücke gegen Schiffsführer und Schiffseigner umfassen unter anderem als Kosten der Schadensfeststellung auch die Kosten, die nach Anfahrung zur Klärung der Beeinträchtigung der Tragfähigkeit für die Untersuchung des Brückenpfeilers aufgewandt wurden.
Rz. 44
Mit dem Seehandelsrechtsreformgesetz wurde 2013 (vgl. dazu oben Rdn 2 ff.) § 78 BinSchG neu gefasst und geregelt, dass auf die große Haverei die §§ 589–592, 594, 595 HGB entsprechend anzuwenden sind. Werden das Schiff, der Treibstoff, die Ladung oder mehrere dieser Sachen zur Errettung aus einer gemeinsamen Gefahr auf Anordnung des Kapitäns vorsätzlich beschädigt oder aufgeopfert oder werden zu diesem Zweck auf Anordnung des Kapitäns Aufwendungen gemacht ("große Haverei" auch "havarie-grosse" genannt), so werden die hierdurch entstandenen Schäden und Aufwendungen von den Beteiligten unter dem Gesichtspunkt der Gefahrengemeinschaft gemeinschaftlich getragen. Es entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis unter den Beteiligten. Gemäß § 589 HGB wird die Anwendung der Vorschriften über die große Haverei nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Gefahr durch Verschulden eines Beteiligten oder eines Dritten herbeigeführt wurde. Der Beteiligte, dem ein solches Verschulden zur Last fällt, kann jedoch wegen eines ihm entstandenen Schadens keine Vergütung verlangen. In Abgrenzung zur großen Havarei (die seit dem Seehandelsrechtsreformgesetz nunmehr als einzige Form noch verblieben ist) waren unter "kleiner Haverei" alle Aufwendungen verstanden worden, die als Kosten der Schifffahrt entstehen. Alle nicht zur großen Haverei gehörigen, durch einen Unfall verursachten Schäden und Kosten – so genannte "besondere Haverei" – wurden von den Eigentümern des Schiffes und der Ladung "von jedem für sich allein" (§ 78 Abs. 3 BinSchG a.F.) getragen. Man spricht hier auch vom sog. Partikularschaden oder Eigenschaden, der, wie der Kaskoschaden, das ungewollte Ergebnis menschlichen Versagens oder höherer Gewalt ist, und den der Schiffseigner allein trägt.
Rz. 45
Die Berechnung und Verteilung des Schadens einer großen Haverei unter den Beteiligten erfolgt nach Maßgabe der §§ 590 ff. HGB in der Dispache, die eine Aufstellung und einen Verteilungsplan darstellt, in dem die Beitragspflichten und Vergütungen der Beteiligten einer großen Havarei festgelegt werden. Nach der Legaldefinition des § 84 S. 2 BinSchG a.F. war eine Dispache eine Rechnung über die große Havarei, also eine Aufstellung sämtlicher, als Havarie-grosse in Betracht kommender Schäden und Kosten sowie deren Verteilung auf Schiff und Ladung unter Berücksichtigung der zu ermittelnden oder abzuschätzenden Beitragswerte. Man bedient sich zur Aufmachung der Dispache eines amtlich bestellten Dispacheurs, d.h. eines Sachverständigen. Die Vorschriften des § 595 HGB und der §§ 402 ff. FamFG, insbesondere § 406 FamFG, die an die Stelle der ursprünglichen Vorschriften des FGG getreten sind, regeln ein gerichtliches Verfahren, in dem eine von einem Dispacheur aufgemachte Dispache durch das Gericht bestätigt und hierdurch mit der Wirkung der Vollstreckbarkeit ausgestattet wird (vgl. hierzu § 30 Rdn 16 f.). Der Abrechnung werden in der Praxis meist die sog. Regeln der Internationalen Vereinigung des Rheinschiffsregisters (IVR) für die Große Haverei zugrunde gelegt. Auch in diesen Fällen sind die gesetzlichen Verfahrensvorschriften des § 307 Abs. 2 FamFG sowie der §§ 403–409 FamFG anzuwenden.
Rz. 46
Von der Havarie-grosse zu unterscheiden ist die Bergung. Häufig wird der Berger aufgrund eines Vertrags tätig, der die Rechtsbeziehungen umfassend regelt. Geschieht dies nicht, enthält das Gesetzesrecht Vorschriften, die die Rechtsverhältnisse zwischen Berger und gerettetem Gut sowie deren Eigentümern regelt. Im Binnenschifffahrtsrecht fanden sich früher in §§ 93 ff. BinSchG a.F. Regelungen zur Bergung. Seit dem Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts (2013) verweist § 93 BinSchG auf die §§ 5...