Rz. 34
Den Antrag auf Ausstellung eines ENZ können die Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter stellen, Art. 65 Abs. 1 EuErbVO.
Rz. 35
Bei der Antragstellung "können" gem. Art. 65 Abs. 2 EuErbVO die Antragsberechtigten ein Formblatt verwenden, welches gem. Art. 81 EuErbVO in einer Durchführungsverordnung zur EuErbVO entworfen worden ist. Da das Formular sehr umfassend ist und nicht eindeutig geklärt ist, ob die Beurkundung des Antrags auch in der Weise möglich ist, dass nur die Rubriken des Formulars vorgelesen werden, welche Angaben zum ENZ enthalten, wird in der Praxis der deutschen Notare der Antrag auf Ausstellung des ENZ häufig nicht auf dem Formular, sondern in einem selbstverfassten fortlaufenden Text gestellt, der dem Antrag auf Ausstellung eines Erbscheins nach BGB vergleichbar ist. Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung spricht nun in der deutschen Übersetzungsfassung davon, dass das entsprechende Formblatt IV zu verwenden "ist". Das OLG Köln hat daher dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Verwendung des Formblatts zwingend sei. Der EuGH hat anschließend entschieden, die Verwendung des Formulars sei nicht zwingend. Der Antrag kann also auch "freihändig" formuliert werden.
Rz. 36
Für Gläubiger des Erben ist in der EuErbVO – anders als in §§ 792, 896 ZPO – kein Antragsrecht vorgesehen. Fraglich ist hier, ob man die §§ 792, 896 ZPO vollstreckungsrechtlich qualifizieren könnte, so dass im deutschen Verfahren vollstreckende Gläubiger die Ausstellung eines ENZ beantragen könnten. Der Kreis der Antragsberechtigten bleibt m.E. aber ohne Rücksicht darauf, in welchem Regelungszusammenhang er bestimmt oder erweitert wird, eine Frage des Nachlassverfahrens und nicht des Vollstreckungsverfahrens. Das Gleiche gilt für die Frage, ob das Antragsrecht gepfändet und die Ausübung dem Gläubiger überlassen werden kann. Die Regelung in Art. 65 Abs. 1 EuErbVO ist damit abschließend, die §§ 792, 896 ZPO können hier keine Antragsberechtigung für weitere Personen begründen. Jedenfalls aber könnte ein Erbengläubiger mit seinem Vollstreckungstitel ein "berechtigtes Interesse" i.S.v. Art. 70 Abs. 1 EuErbVO nachweisen und daher von einem bereits erteilen ENZ eine Abschrift (siehe Rdn 43) beantragen. Schließlich wäre ein ENZ in einem solchen Verfahren auch nicht erforderlich: Gegenüber inländischen Vollstreckungsorganen genügt der Nachweis durch einen nationalen Erbschein.
Rz. 37
Das ENZ wird gem. Art. 62 Abs. 1 EuErbVO zur Verwendung im Ausland ausgestellt. Hintergrund ist der Subsidiaritätsgrundsatz. Die beschränkte Gesetzgebungskompetenz der Europäischen Union verlangt, dass neu geschaffene Instrumente ausschließlich im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr eingesetzt werden. Ansonsten würde das ENZ im Inland vollständig mit den entsprechenden nationalen Erbnachweisen konkurrieren bzw. in solchen Ländern, die einen entsprechenden Nachweis bislang nicht kennen (wie z.B. Italien), einen entsprechenden Nachweis auch für den rein nationalen Verkehr schaffen.
Rz. 38
Das ENZ stellt gem. Art. 62 Abs. 3 S. 1 EuErbVO ein eigenes Rechtsinstrument dar, das nicht an die Stelle der innerstaatlichen Nachweise tritt. Nationale Erbnachweise bleiben also weiterhin neben dem ENZ bestehen, so dass die Erben die Wahl haben, ob sie ein Zeugnis nationalen Rechts oder ein ENZ beantragen.
Rz. 39
Die Antragsberechtigung verlangt nicht das Vorhandensein von Nachlass im Ausland. Es genügt, dass der Antragsteller das Zeugnis zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat benötigt (Art. 62 Abs. 1 EuErbVO) und dies im Antrag darlegt (Art. 65 Abs. 3 lit. f EuErbVO). Ist das Zeugnis einmal ausgestellt worden, so kann man es auch in dem Mitgliedstaat verwenden, der das Zeugnis ausgestellt hat, Art. 62 Abs. 3 S. 2 EuErbVO. Im praktischen Gebrauch ist das ENZ also durchaus fähig, den nationalen Erbnachweis zu ersetzen. Wenn der Erbe ein ENZ erhalten hat, so benötigt er zum Erbnachweis auch im deutschen Inland keinen BGB-Erbschein mehr. M.E. kann auch nicht die Vorlage eines nationalen Erbscheins verlangt werden.
Rz. 40
Ob die Möglichkeit einer "Umgehung" der Vorschriften über die Abwicklung inländischer Nachlässe verlangt, dass die beabsichtigte Verwendung im Ausland bewiesen werden muss, ist fraglich. In der deutschen Praxis werden schon das erheblich ausführlichere Formular und das voraussichtlich kompliziertere Verfahren für das ENZ dafür sorgen, dass kaum ein Erbe das ENZ beantragen wird, wenn er davon ausgeht, dass er den Nachlass auch mit einem BGB-Erbschein abwickeln kann. Das mag in Staaten ohne oder mit einem "schwachen" Erbnachweis anders sein. Dort könnten die Vorzüge der Verwendung des ENZ bei der Abwicklung von Nachlässen den nationalen Gesetzgeber dazu zwingen, ein vergleichbares Rechtsinstitut nach nationalem Recht zu schaffen oder aber das ENZ auch für die Abwicklung rein nationaler Erbfälle zuzulassen.