Rz. 53
Trotz der einheitlichen Bestimmung des Erbstatuts in den Art. 21 ff. EuErbVO ist eine einheitliche Rechtsanwendung noch nicht gewährleistet. So wird aufgrund der Lücken im vereinheitlichten europäischen IPR z.B. das Bestehen eines für die Erbfolge maßgeblichen familienrechtlichen Statusverhältnisses (Ehe, Abstammung, Adoption etc.) in den Mitgliedstaaten der EU weiterhin uneinheitlich beurteilt. Gerade bei gleichgeschlechtlichen Ehen, eingetragenen Lebenspartnerschaften und Privatscheidungen und bei der Bestimmung des auf den ehelichen Güterstand anwendbaren Rechts ist weiterhin mit erheblichen Unterschieden zu rechnen. Teilweise wird daher in der Literatur verlangt, in diesen Fällen müsse weiterhin die Ausstellung eines BGB-Erbscheins auf der Basis der sich aus deutscher Sicht ergebenden Rechtslage möglich sein.
Rz. 54
Diese Ansicht verkennt, dass sich gem. Art. 69 Abs. 5 EuErbVO die Legitimationswirkungen eines ENZ europaweit entfalten und damit auch in Deutschland anzuerkennen sind. Die EuErbVO sieht nicht einmal einen ordre public-Vorbehalt vor, mit dem sich die Behörden des Verwendungsstaates gegen ein aus ihrer Sicht grob fehlerhaftes Zeugnis wehren könnten.
Rz. 55
Ist die Behörde eines anderen EU-Mitgliedstaates nach den Art. 4 ff. EuErbVO für die Ausstellung des ENZ zuständig, so ist wegen der ausschließlichen Zuständigkeit dieser ausländischen Behörden für die deutschen Gerichte nicht nur für die Ausstellung eines ENZ, sondern auch für die Ausstellung eines BGB-Erbscheins die Zuständigkeit genommen. Das wurde vom EuGH in der Oberle-Entscheidung ausdrücklich bestätigt.
Rz. 56
Darüber hinaus könnte man einzelnen der Erben kaum dadurch "helfen", dass man ihnen einen vom ENZ abweichenden Erbschein aushändigt und hiermit dafür sorgt, dass im Inland einander widersprechende Erbnachweise nebeneinander kursieren, die Berechtigten also einen Wettlauf starten, um sich möglichst schnell möglichst viel Nachlassvermögen "unter den Nagel zu reißen". Die im deutschen Erbschein ausgewiesenen Personen würden hierbei aber nichts auf Dauer gewinnen, denn für eine Nachlassklage wären nach Art. 4 EuErbVO nicht die deutschen, sondern die ausländischen Gerichte ausschließlich zuständig. Die EuErbVO zwingt daher, zumindest bis zum Erreichen einer Kollisionsrechtsangleichung auch im Familienrecht, ein ENZ aus einem anderen Mitgliedstaat anzuerkennen, selbst wenn dieses mit der Rechtslage aus deutscher Sicht nicht vereinbar ist.