Rz. 55

Die Bindungswirkung[37] kann sich aber nach der Entscheidung des OVG NRW vom 25.6.2012 – 16 B 71/12[38] ergeben, wenn sich aus den schriftlichen Urteilsgründen ein Sachverhalt ergibt, der erkennen lässt, dass sich das Gericht mit der Fahreignung befasst hat und zu welchem Ergebnis es gekommen ist.

Die Bindungswirkung ist daher nicht gegeben, wenn sich keine Ausführungen im Urteil finden lassen, die sich auf die Fahreignung beziehen. Das bedeutet unter Umständen, dass gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt werden muss, um eben diese Feststellungen in das Urteil hineinzubekommen.

 

Rz. 56

Das Oberverwaltungsgericht NRW[39] ist bei der Bindungswirkung hinsichtlich des Richtervorbehalts zur Blutentnahme und deren Verwertung der Auffassung, dass "Zweifel an der Praxis ohne nähere Kenntnis der genauen Umstände der Anordnung nach § 81a StPO im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu keinem Verwertungsverbot führen, zumal mit Blick auf die kurzen Nachweiszeiten für Drogen im Blut(serum) viel für das Vorliegen von Gefahr im Verzug wegen drohenden Beweismittelverlusts sprach." Dabei berücksichtigt es, dass das Fahrerlaubnisverfahren als Teil des besonderen Sicherheitsrechts präventiven Charakter hat, hingegen nicht auf eine Bestrafung (Sanktionswirkung) abzielt. Dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer und der Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern widerspräche es, wenn die Fahrerlaubnisbehörden an der Berücksichtigung (eventuell) strafprozessual fehlerhaft gewonnener Erkenntnisse allgemein gehindert wären oder wegen eines außerhalb ihres Verantwortungsbereichs begangenen Verfahrensfehlers sehenden Auges die gravierenden Gefahren hinzunehmen hätten, die mit der Verkehrsteilnahme eines derzeit kraftfahrungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers verbunden sind. Es vertritt damit auf den Punkt gebracht, dass ein Verwertungsverbot im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht zur Unverwertbarkeit der jeweiligen Erkenntnisse auch im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren führt.

 

Rz. 57

Die Bindungswirkung gilt nicht bei der Erteilung oder Wiedererteilung der Fahrerlaubnis[40] und erlaubt der zuständigen Behörde, während eines Strafverfahrens die Fahrerlaubnis wegen eines anderen Sachverhalts zu entziehen, für den die Sperre des § 3 Abs. 3 StVG nicht gilt.[41]

[37] Ausführlich auch Reisert, Das Fahreignungsregister in der anwaltlichen Praxis, § 2 Rn 47 ff.
[38] zfs 2012, 539 ff.
[39] OVG NRW v. 23.7.2015 – 16 B 656/15.
[40] OVG Münster, Beschl. v. 4.7.2007, NJW 2007, 2398; VG Köln, Urt. v. 21.5.2010 – 11 K 8707/09: VG Berlin, Beschl. v. 21.6.2000, NZV 2001, 139; VG Frankfurt, Beschl. v. 7.5.2003, DAR 2003, 384.
[41] So schon VGH Mannheim NVwZ 2007, 326.

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