Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 26
Ein Elternteil, der allein für den Unterhalt eines gemeinsamen ehelichen Kindes aufgekommen ist, kann gegenüber dem anderen – auch unterhaltspflichtigen – Elternteil einen Ersatzanspruch haben
I. Obhutswechsel des Kindes in den Haushalt des barunterhaltspflichtigen Elternteils
1. Gemeinsame elterliche Sorge (§ 1629 BGB)
Rz. 27
Häufig sind die Eltern getrenntlebende Eheleute, die gemeinsam die elterliche Sorge für das Kind haben. Der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, übernimmt die Vertretung des Kindes gem. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB bei der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gegen den anderen Elternteil. Insoweit ergibt sich – allerdings nur für Unterhaltsfragen – ein Alleinvertretungsrecht. Ansonsten bleibt es bei gemeinsamer Vertretung durch beide Elternteile.
Rz. 28
Obhut bedeutet dabei die tatsächliche Fürsorge für das Kind, also die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes durch Pflege, Verköstigung, Gestaltung des Tagesablaufs, Erreichbarkeit bei Problemen und emotionale Zuwendung.
Rz. 29
Die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen setzt nicht voraus, dass ein Elternteil die alleinige Obhut über die Kinder hat. Vielmehr reicht aus, dass der Schwerpunkt der tatsächlichen Betreuung von dem unterhaltsbegehrenden Elternteil wahrgenommen wird. In Grenzfällen genügt auch ein nur geringer Betreuungsvorsprung eines Elternteils. Ansonsten ist eine gerichtliche Übertragung der Befugnis, Unterhalt gegen den anderen Elternteil geltend machen zu können, nach § 1628 BGB erforderlich.
2. Verfahrensstandschaft, § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB
Rz. 30
Aus dem Umstand, dass ein Elternteil das minderjährige Kind gesetzlich vertritt, ergibt sich noch nicht, ob der Kindesunterhalt nach Trennung der Eltern im Namen des Kindes oder im eigenen Namen des Elternteils geltend zu machen ist.
Rz. 31
Der Gesetzgeber hat sich für die Dauer der Trennung bis zur Rechtskraft der Scheidung in § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB für die Verfahrensstandschaft entschieden, weil er vor allem vermeiden wollte, dass das minderjährige Kind als Beteiligter am Scheidungsverfahren der Eltern teilnimmt. Die Verfahrensstandschaft umfasst auch Passivverfahren gegen die Kinder. Dies spielt eine Rolle bei Unterhaltsabänderungsverfahren nach § 238 bzw. § 239 FamFG.
Rz. 32
Der Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 3 BGB betrifft nur verheiratete Eltern. Unverheiratete Eltern und geschiedene Eltern sind zur Verfahrensführung (in eigenem Namen) nicht befugt. In diesen Fällen muss das Kind als Beteiligter den Unterhaltsanspruch im eigenen Namen geltend machen, gesetzlich vertreten durch den allein sorgeberechtigten Elternteil (§ 1629 Abs. 1 S. 3 BGB) oder – bei gemeinsamer Sorge – von dem Elternteil, in dessen Obhut es sich befindet (§ 1629 Abs. 2 S. 2 BGB).
Rz. 33
Der antragstellende Elternteil ist als Verfahrensstandschaft selbst Beteiligter. Deshalb kann beispielsweise der auf Kindesunterhalt in Anspruch genommene Elternteil seinen Zugewinnausgleichsanspruch gegen den betreffenden Elternteil im Wege eines Gegenverfahrens geltend machen.
3. Obhutswechsel
Rz. 34
Die Verfahrensstandschaft endet auch schon vor Rechtskraft der Scheidung, sobald das minderjährige Kind in die Obhut des anderen Elternteils kommt oder wenn dem auf Kindesunterhalt in Anspruch genommenen Elternteil die alleinige Personensorge (nach vorheriger alleiniger Personensorge des anderen Elternteils oder nach vorheriger gemeinsamer Sorge) übertragen wird.
Rz. 35
In beiden Fällen wird das zuvor vom anderen Elternteil erhobene Verfahren auf Kindesunterhalt unzulässig, und zwar insgesamt, nicht nur für den Unterhaltszeitraum ab Sorgerechtsentscheidung oder ab Übergang des Obhutsverhältnisses auf den anderen Elternteil.
Rz. 36
Aufwendungen für das Kind können aber nach Antragsänderung im gleichen Verfahren im Rahmen des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs gegen den anderen Elternteil weiterverfolgt werden.
Rz. 37
Dies betrifft freilich nur den rückständigen Unterhalt. Hinsichtlich des laufenden Unterhalts ist der Antrag zurückzunehmen bzw. für erledigt zu erklären. Letzteres empfiehlt sich aus Kostengründen und ist auch korrekt, soweit man unterstellt, dass das bisherige Verfahren zulässig und begründet war. Das Verfahren wird nämlich erst infolge des Obhutswechsels (= erledigendes Ereignis) unzulässig. Das OLG Hamburg stellt dies wie folgt dar:
Zitat
"Mit dem Obhutswechsel der gemeinsamen Tochter und bisherigen Antragstellerin ist die Vertretungsbefugnis der jetzigen Antragstellerin aus § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB, von der im Hinblick auf das eindeutige Übergewicht der tatsächlichen Betreuung durch die Mutter trotz des im Verlauf des Verfahrens vereinbarten erweiterten Umgangsrechts des Vaters weiterhin auszugehen gewesen ist (…), entfallen. Dadurch ist der Antrag rückwirkend, also auch hinsichtlich des aufgelaufenen Unterhalts, unzulässig geworden und müsste abgewiesen werden, sofern er nicht, wie im vorliegenden Fall geschehen, für erledigt erklärt wird (…)."
Rz. 38
Dies gilt entsprechend auch für Unterhaltsverfahren des Kindes im eigenen Namen; die Ver...