Rz. 8
Nach § 2316 Abs. 1 BGB bestimmt sich der Pflichtteilsanspruch eines Abkömmlings danach, was auf seinen gesetzlichen Erbteil unter Berücksichtigung der Ausgleichung einer Zuwendung des Erblassers oder einer Leistung des Abkömmlings (i.S.d. § 2057a BGB) bei der Teilung entfallen würde. Die Ausgleichung erfolgt nur hypothetisch, da aufgrund der Enterbung des Pflichtteilsberechtigten eine sog. echte Ausgleichung im Rahmen der Erbauseinandersetzung nicht stattfindet. Der Pflichtteil eines enterbten Pflichtteilsberechtigten berechnet sich nach h.M. auch dann unter Berücksichtigung der Ausgleichsregeln, wenn ein als Alleinerbe eingesetzter Abkömmling z.B. ausgleichungspflichtige Leistungen i.S.d. § 2057a BGB erbracht hat und sich die Ausgleichung für den enterbten Pflichtteilsberechtigten entsprechend nachteilig auswirkt. Nach dem Urteil des BGH, 4. Zivilsenat, vom 9.12.1992 gilt insoweit:
Zitat
"Dementsprechend wirkt § 2316 Abs. 1 BGB nach allgemeiner Meinung nicht nur zugunsten des enterbten Pflichtteilsberechtigten, sondern – wenn er Zuwendungen gemäß § 2050 BGB empfangen hat oder andere Pflichtteilsberechtigte wegen Leistungen gemäß § 2057a BGB Ausgleichung beanspruchen können – auch zu seinen Lasten (vgl. die Fallbeispiele etwa bei Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB, 12. Aufl., § 2316 Rn 48; MüKo/Frank, 2. Aufl., § 2316 Rn 12–14; Soergel/Dieckmann, BGB, 12. Aufl., § 2316 Rn 11, 16; BGB-RGRK/Johannsen, 12. Aufl., § 2316 Rn 5 und 6)."
Rz. 9
Für die Berücksichtigung der Vorempfänge und die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs verweist § 2316 BGB hinsichtlich des ausgleichungspflichtigen Tatbestandes auf die Vorschriften der §§ 2050 ff., 2057a BGB. Im Rahmen der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs eines Abkömmlings ist beim Vorliegen von Vorempfängen zunächst zu prüfen, ob diese nach §§ 2050 ff., 2057a BGB zur Ausgleichung zu bringen sind.
Rz. 10
Nach §§ 2050 ff. BGB sind lebzeitige Zuwendungen des Erblassers an Abkömmlinge ausgleichungspflichtig, wenn es sich hierbei um eine Ausstattung, Zuschüsse zu Einkünften im Übermaß, Aufwendungen für die Vorbildung zu einem Beruf im Übermaß oder um andere Zuwendungen, die ausdrücklich mit einer Ausgleichungsbestimmung versehen wurden (§ 2050 Abs. 3 BGB), handelt. Des Weiteren sind Eigenleistungen eines Abkömmlings nach § 2057a BGB ausgleichungspflichtig.
Rz. 11
Grundlage der Ausgleichungspflicht ist daher das Vorliegen einer kraft Gesetzes bestimmten oder einer vom Erblasser angeordneten Ausgleichungspflicht.