a) Allgemeines
Rz. 55
Fällt eine lebzeitige Zuwendung nicht unter § 2050 Abs. 1 und 2 BGB, ist sie nur dann auszugleichen, wenn der Erblasser die Ausgleichungspflicht angeordnet hat, § 2050 Abs. 3 BGB. Unter den Zuwendungsbegriff des § 2050 Abs. 3 BGB fällt grundsätzlich jede freiwillige Zuwendung, jede Schenkung oder gemischte Schenkung, nicht aber die Zuwendung, die aufgrund einer gesetzlichen Pflicht (z.B. einer Unterhaltspflicht) erfolgte. Die Zuwendung muss nicht notwendigerweise durch ein Rechtsgeschäft des Abkömmlings mit dem Erblasser erfolgen. Es genügt vielmehr, wenn der Abkömmling durch eine wirtschaftliche Maßnahme des Erblassers einen Vermögensvorteil erhält.
b) Ausgleichsanordnung
Rz. 56
Eine Zuwendung ist nach § 2050 Abs. 3 BGB nur dann zur Ausgleichung zu bringen, wenn der Erblasser die Verpflichtung zur Ausgleichung angeordnet hat. Diese Ausgleichungsanordnung muss dem Abkömmling bzw. dem Zuwendungsempfänger spätestens im Zeitpunkt der Zuwendung zugehen und der Empfänger muss bei Annahme der Zuwendung auch erkannt haben, dass es sich um eine ausgleichungspflichtige Zuwendung handelt. Erfolgt die Zuwendung und Ausgleichsanordnung gegenüber noch minderjährigen Abkömmlingen, so bedarf es nach BGHZ keiner Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters, da durch die Anordnungsbestimmung selbst lediglich eine Ausgleichungspflicht, nicht aber eine schuldrechtliche Verpflichtung begründet wird.
Rz. 57
Die Ausgleichsanordnung bedarf keiner bestimmten Form. Sie kann vielmehr auch konkludent erfolgen. Dafür reicht es aber nicht aus, dass er vor der strittigen Zuwendung seine Kinder als gesetzliche Erben stets gleichermaßen bedacht hat, insbesondere wenn auch der zugewandte strittige Vermögenswert ohne Weiteres teilbar gewesen wäre. Beweispflichtig für das Bestehen einer Ausgleichsanordnung ist derjenige, der Rechte daraus herleitet.
c) Vorbehalt einer späteren Ausgleichungsbestimmung
Rz. 58
Grundsätzlich muss die Anrechnungsbestimmung im Zeitpunkt der Zuwendung erfolgen. Etwas anderes gilt dann, wenn sich der Erblasser im Zeitpunkt der Zuwendung die Möglichkeit einer späteren Anordnungs- oder Ausgleichungspflicht vorbehalten hat.
d) Nachträgliche Anordnung einer Ausgleichungsbestimmung
Rz. 59
Ist die Zuwendung erfolgt und hat es der Erblasser unterlassen, eine Ausgleichungspflicht nach § 2050 Abs. 3 BGB anzuordnen, so kann er hieran im Interesse der Rechtssicherheit einseitig durch formloses Rechtsgeschäft grundsätzlich nichts mehr ändern. Der Erblasser hat für den Zuwendungsempfänger eine Vertrauensgrundlage geschaffen, die auf die fehlende Ausgleichungspflicht gerichtet ist. Er hat jedoch die Möglichkeit, die fehlende Ausgleichungsverpflichtung durch Anordnung eines Vermächtnisses zugunsten seiner nicht bedachten Abkömmlinge in einer Verfügung von Todes wegen zu kompensieren.
Rz. 60
Stimmt der betroffene Abkömmling zu, kann eine Ausgleichungspflicht auch nachträglich vereinbart werden, allerdings lediglich in der für den Erbverzicht geltenden Form. Denn die Parteien treffen eine Vereinbarung, die den gesetzlichen Erbteil unter Berücksichtigung des dann auszugleichenden Vorempfangs modifiziert.
e) Verwendung des Begriffs "im Wege vorweggenommener Erbfolge"
Rz. 61
Ist eine Ausgleichungsbestimmung nicht ausdrücklich getroffen worden, so bestehen in der Praxis Auslegungsschwierigkeiten, wie bestimmte Formulierungen auszulegen sind. Nach Ansicht der Rspr. kann aus der Formulierung "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" der Wille des Erblassers entnommen werden, dass der Zuwendungsempfänger den Wert der Zuwendung später im Erbfall zur Ausgleichung zu bringen hat. In seiner Entscheidung vom 23.9.1981, bei der es um die Frage der objektiven Bereicherung im Rahmen eines Anspruchs aus § 2287 BGB ging, hat der BGH ausgeführt, dass die Wendung "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" als Ausgleichungsanordnung zu verstehen ist. Ebenso hat er in seiner Entscheidung vom 12.10.1988 ausgeführt, dass eine Zuwendung "im Wege vorweggenommener Erbfolge" als auf den Erbteil zugewendet anzusehen ist. Das OLG Hamm folgt in seinem Urteil vom 26.5.1998 dieser Rspr., wonach eine "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" erfolgte Grundstücksübertragung an einen Schlusserben eine Ausgleichungsbestimmung nach §§ 2052, 2050 ...