I. Einleitung
Rz. 2
Zuwendungen des Erblassers an seine Abkömmlinge sind zur Ausgleichung zu bringen, wenn die Zuwendung kraft Gesetzes ausgleichungspflichtig ist (§ 2050 Abs. 1 und 2 BGB) oder der Erblasser bei der Zuwendung des Vorempfangs die Ausgleichungspflicht angeordnet hat (§ 2050 Abs. 3 BGB). Die Frage, wie sich solche Zuwendungen auf den Pflichtteil der Abkömmlinge auswirken, regelt § 2316 BGB. Nach § 2316 Abs. 1 BGB bestimmt sich der Pflichtteil eines Abkömmlings, wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind und unter ihnen im Falle der gesetzlichen Erbfolge eine Zuwendung des Erblassers (Alt. 1) oder Leistungen nach § 2057a BGB (Alt. 2) zur Ausgleichung zu bringen sein würden, nach demjenigen, was auf den gesetzlichen Erbteil unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflichten bei der Teilung entfallen würde.
Rz. 3
Das Gesetz sieht in § 2050 Abs. 1 BGB einen sog. geborenen Ausgleichungstatbestand für Ausstattungen, Übermaßzuschüsse zu den Einkünften und Übermaßaufwendungen zum Beruf vor. Sofern der Erblasser diese gesetzliche Ausgleichungspflicht nicht außer Kraft setzt, sind die Zuwendungen nach dem Erbfall zur Ausgleichung zu bringen, und zwar unabhängig davon, wie lange sie zurückliegen. Eine Zehn-Jahres-Frist wie beim Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 Abs. 2 BGB) gibt es hier nicht.
Rz. 4
Darüber hinaus hat der Erblasser die Möglichkeit, eine nicht von ihrer Natur her ausgleichungspflichtige lebzeitige Zuwendung mit der Bestimmung zu versehen, dass diese ausgleichungspflichtig (§§ 2050, 2316 BGB) ist. Man spricht hier von den sog. gekorenen Ausgleichstatbeständen, denn hier ist die Anordnung des Erblassers maßgeblich für die Ausgleichungspflicht.
Rz. 5
Praxishinweis
Die Ausgleichungspflicht nach §§ 2050 ff. BGB führt bei der gesetzlichen (oder testamentarischen) Erbfolge zu einem Verrechnungsanspruch im Rahmen der Erbauseinandersetzung, im Pflichtteilsrecht zu einer Erhöhung oder Reduzierung des Zahlungsanspruchs. Die Ausgleichung erhöht nicht die Pflichtteilslast, sondern führt zu einer Umverteilung bzw. Verschiebung der Pflichtteile.
II. An der Ausgleichung Beteiligte
Rz. 6
Nach §§ 2050 ff. BGB sind grundsätzlich nur die Abkömmlinge des Erblassers an der Ausgleichung beteiligt. Andere Personen nehmen an der Ausgleichung nicht teil. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung ist daher der Erbteil anderer Erben, z.B. der des Ehegatten, vor Durchführung der Ausgleichung herauszurechnen. Dies gilt auch im Rahmen der Pflichtteilsberechnung nach § 2316 BGB. Der Pflichtteilsanspruch der anderen, nicht ausgleichungsberechtigten oder -verpflichteten Pflichtteilsberechtigten wird grundsätzlich ohne Berücksichtigung der ausgleichungspflichtigen Vorempfänge berechnet.
Rz. 7
Voraussetzung für eine Ausgleichung nach § 2316 BGB ist, dass neben dem pflichtteilsberechtigten Abkömmling wenigstens ein weiterer Abkömmling vorhanden ist: Nach § 2316 Abs. 1 S. 2 BGB werden diejenigen Abkömmlinge, die einen Erbverzicht erklärt haben, bei der Ausgleichung nicht berücksichtigt. Sie scheiden bei der Berechnung mitsamt ihrem Vorempfang aus. Gleiches gilt für diejenigen Abkömmlinge, die einen vorzeitigen Erbausgleich nach § 1934d BGB a.F. geltend gemacht haben. Derjenige, der nur auf seinen Pflichtteilsanspruch verzichtet hat, wird im Rahmen der Ausgleichung mit seinem eventuellen Vorempfang berücksichtigt. Gleiches gilt für Abkömmlinge, die die Erbschaft ausgeschlagen haben, für erbunwürdig erklärt wurden oder infolge ihrer Enterbung von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind (§ 2310 S. 1 BGB), und auch für solche Abkömmlinge, deren Vorempfang der Höhe nach ihrem Ausgleichungspflichtteil entspricht oder diesen übersteigt.
III. Ausgleichungspflichtige Vorempfänge nach §§ 2050 ff., 2316 BGB
1. Allgemeines
Rz. 8
Nach § 2316 Abs. 1 BGB bestimmt sich der Pflichtteilsanspruch eines Abkömmlings danach, was auf seinen gesetzlichen Erbteil unter Berücksichtigung der Ausgleichung einer Zuwendung des Erblassers oder einer Leistung des Abkömmlings (i.S.d. § 2057a BGB) bei der Teilung entfallen würde. Die Ausgleichung erfolgt nur hypothetisch, da aufgrund der Enterbung des Pflichtteilsberechtigten eine sog. echte Ausgleichung im Rahmen der Erbauseinandersetzung nicht stattfindet. Der Pflichtteil eines enterbten Pflichtteilsberechtigten berechnet sich nach h.M. auch dann unter Berücksichtigung der Ausgleichsregeln, wenn ein als Alleinerbe eingesetzter Abkömmling z.B. ausgleichungspflichtige Leistungen i.S.d. § 2057a BGB erbracht hat und sich die Ausgleichung für den enterbten Pflichtteilsberechtigten entsprechend nachteilig auswirkt. Nach dem Urteil des BGH, 4. Zivilsenat, vom 9.12.1992 gilt insoweit:
Zitat
"Dementsprechend wirkt § 2316 Abs. 1 BGB nach allgemeiner Meinung nicht nur zugunsten des enterbten Pflichtteilsberechtigten, sondern – wenn er Zuwendungen gemäß § 2050 BGB empfangen hat oder andere Pflichtteilsberechti...