Rz. 46
Für die Bemessung der Höhe des Ausgleichungsanspruchs nach § 2057a BGB sieht § 2057a Abs. 3 BGB eine Billigkeitsbewertung vor. Hierauf gestützt, hat der BGH entschieden, dass für den Ausgleichungsbetrag die Tätigkeiten des Abkömmlings nicht einzeln gerechnet, sondern unter Billigkeitserwägungen geschätzt werden.
Rz. 47
Hier liegt es zum einen nahe, einen exakten Betrag der Ausgleichung zugrunde zu legen, andererseits geht es im Rahmen des § 2057a BGB nicht um die einzelne Zuwendung an sich, sondern um die Frage, inwieweit dadurch das Vermögen des Erblassers vermehrt bzw. erhalten wurde. Insoweit geht die hier vertretene Meinung davon aus, dass auch bei einzelnen Geldzuwendungen eine Billigkeitsabwägung gem. § 2057a Abs. 3 BGB vorzunehmen ist.
Rz. 48
Nach dem Wortlaut des § 2057a Abs. 3 BGB sind für die Wertbemessung bzw. die Höhe der Ausgleichung drei Kriterien maßgebend, nämlich
▪ |
die Dauer der Leistung, |
▪ |
der Umfang der Leistung und |
▪ |
die Auswirkung auf den Wert des Vermögens (Nachlasses). |
Rz. 49
Praxishinweis
Nach dem Urteil des OLG Schleswig vom 15.6.2012 (3 U 28/11) sind für die Bestimmung der Höhe der Ausgleichung nach § 2057a Abs. 3 BGB keine minutiösen Einzelfeststellungen erforderlich. Vielmehr ist eine Gesamtschau vorzunehmen, nach welcher zunächst die Dauer und der Umfang der auszugleichenden Leistung zu berücksichtigen ist, und zwar insbesondere der Leistungszeitraum und der tägliche Aufwand. Ferner ist in die Erwägungen einzubeziehen, in welchem Umfang der Nachlass erhalten wurde. Andererseits müssen auch die Vermögensinteressen der weiteren Erben sowie die Höhe des gesamten Nachlasses berücksichtigt werden. Der Ausgleichungsbetrag darf nicht den Wert des gesamten Nachlasses erreichen.
Rz. 50
Nach LG Ravensburg soll die Bemessung der Höhe des Ausgleichungsbetrages nach den vorgenannten Kriterien so vorgenommen werden, dass es der Billigkeit entspricht und dieser Betrag im Verhältnis zum Restnachlass als angemessen erscheint. Das LG Ravensburg hat dabei auf Orientierungshilfen, wie z.B. die Richtsätze für mithelfende Familienangehörige in der Landwirtschaft, herausgegeben vom Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg, oder ähnliche Vergleichswerte zurückgegriffen.
Zitat
"Bei der Berechnung des Ausgleichsbetrages für die Mitarbeit eines Abkömmlings in der elterlichen Landwirtschaft können die “Richtsätze für mithelfende Familienangehörige in der Landwirtschaft und Weinbau’, herausgegeben vom Landwirtschaftsministerium Stuttgart, zugrunde gelegt werden. Diese Richtsätze enthalten bereits Abzüge für die Versorgung im Privathaushalt. Zu berücksichtigen sind der jeweilige Anteil der Arbeitskraft, die für die Mitarbeit aufgewendet wurde, sowie der von der Erbringung der Leistung bis zum Erbfall eingetretene Kaufkraftschwund."
Rz. 51
Praxishinweis
Im Bereich der Bewertung von Pflegeleistungen kann und sollte daher ebenfalls auf vorhandene Vergütungstabellen als ungefähren Vergleichsmaßstab zurückgegriffen werden, z.B. auf die Vergütungsvereinbarung zwischen den Trägern der Pflegeversicherung und den ambulanten Pflegediensten. Für die Berechnung des Ausgleichsbetrags kann herangezogen werden, welcher Teil des Vermögens für die Zahlung eines Pflegeheims hätte aufgewandt werden müssen.
Rz. 52
Für die Bemessungsgrundlage des Wertes des Nachlasses ist grundsätzlich auf den Nettonachlass, d.h. nach Abzug aller Verbindlichkeiten, abzustellen. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs ist umso niedriger, je geringer der Nachlasswert ist, und umgekehrt umso höher, je höher der Nachlasswert ist. Daraus folgt auch, dass der gesamte Nachlasswert nie der Höhe des Ausgleichungsbetrages entsprechen kann.
Rz. 53
Praxishinweis
Die Entscheidung, auf welchen Betrag sich der Ausgleichungsanspruch beläuft, trifft grundsätzlich das Gericht. Im Rahmen einer Feststellungsklage besteht daher lediglich die Möglichkeit, in Abweichung zu § 253 Abs. 2 ZPO einen unbezifferten Antrag zu stellen.
Rz. 54
Fraglich ist, ob im Rahmen der Wertbemessung der ausgleichungspflichtige Betrag zu indexieren ist. Das LG Ravensburg hat dies ohne Weiteres bejaht. Richtiger dürfte es allerdings sein, da es sich um einen Ermessenswert handelt, die Frage der Indexierung im Rahmen der richterlichen Ermessensentscheidung direkt einfließen zu lassen.