Rz. 84

Bei der Anrechnung nach § 2315 BGB muss sich der Pflichtteilsberechtigte eine lebzeitige Zuwendung auf seinen Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen, sofern der Erblasser die Zuwendung mit einer entsprechenden Anrechnungsbestimmung versehen hat. Dabei muss der Erblasser die Anrechnung spätestens im Zeitpunkt der Zuwendung bestimmt haben.[113] Nach § 2315 Abs. 1 BGB muss es sich um eine freigebige Zuwendung des Erblassers handeln. Anders als bei der Ausgleichung nach §§ 2050, 2316 BGB ist eine Anrechnungsfähigkeit der Zuwendung nur dann gegeben, wenn seitens des Erblassers keine Leistungspflicht bestand.[114] Die Zuwendung an den Pflichtteilsberechtigten muss im Rahmen des § 2315 BGB aus dem Vermögen des Erblassers stammen, auch dann, wenn ein sog. Berliner Testament vorliegt.[115] Der sog. erweiterte Erblasserbegriff (siehe Rdn 75 f.) findet hier keine Anwendung. Die Erbfolge der Elternteile ist auch bei Vorliegen eines gemeinschaftlichen Testaments deutlich auseinander zu halten. Jeder der beiden eintretenden Erbfälle löst für den Enterbten einen Pflichtteilsanspruch aus. Daran ändert auch die irrige Vorstellung der Eltern nichts, es gebe nur einen die Kinder begünstigenden Erbfall. Demzufolge müssen sich die Kinder nicht den vollen Wert einer von beiden Eltern erhaltenen Zuwendung auf den Pflichtteil anrechnen lassen, sondern nur dasjenige, was allein von dem letztversterbenden Ehepartner zugewendet worden ist.[116]

[113] J. Mayer, ZEV 1996, 441.
[114] Vgl. RGZ 67, 306; MüKo-BGB/Lange, § 2315 Rn 5.
[115] BGHZ 88, 102; Thubauville, MittRhNotK 1992, 289.

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