Ingrid Groß, Dr. iur. Thomas Eder
a) Anrechnung gem. § 34 Abs. 2 RVG
Rz. 34
§ 34 Abs. 2 RVG enthält keine Berechnungsvorschrift. Ist die Anrechnung nicht ausgeschlossen, aber eine Gebührenvereinbarung getroffen, die z.B. einen Stundensatz oder eine Pauschale beinhaltet, stoßen diese Vergütungen mit der verfahrenswertabhängigen Vergütung bei der Geschäftsgebühr oder bei der Verfahrensgebühr zusammen. Soweit gem. § 34 Abs. 1 S. 2 RVG auf BGB verwiesen wird, ist die Lage nicht anders: Zwei ganz unterschiedliche Gebührensysteme stehen sich gegenüber.
Rz. 35
Entgegen anderweitigen Vorschlägen ist wohl der Meinung zuzustimmen, dass angesichts des Gesetzeswortlauts keine andere Möglichkeit als die vollständige Anrechnung des vereinbarten Honorars besteht, wenn der Gegenstand der Beratungstätigkeit und der nachfolgenden außergerichtlichen oder gerichtlichen Vertretung identisch ist. Jedenfalls dann, wenn nicht alle Gegenstände, die von der Gebührenvereinbarung erfasst waren, auch von der nachfolgenden außergerichtlichen oder gerichtlichen Vertretung erfasst sind, wird eine andere Lösung gefunden werden müssen. Es kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass durch § 34 Abs. 2 RVG vom Grundsatz, dass nur bei Identität der Gegenstände angerechnet wird, abgewichen werden sollte.
Rz. 36
Auch diese Schwierigkeit ist ein offenkundiger Anlass, die vom Gesetzgeber angestrebte Vergütungsvereinbarung zu treffen.
Rz. 37
Einigkeit besteht, dass die Anrechnung nur einmal stattfindet, d.h. nur auf die Betriebsgebühr. Klar ist auch angesichts des Gesetzeswortlauts, dass Auslagen nicht anrechnungspflichtig sind. Einigkeit besteht auch darin, dass eine Anrechnung nur bis zur Höhe der Gebühr für die nachfolgende Tätigkeit stattfindet.
Rz. 38
Beispiel
Der Anwalt hat mit dem Mandanten eine Pauschalvereinbarung über 2.000,00 EUR für die Beratung im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Zugewinnausgleichsanspruchs getroffen.
Es kommt anschließend zu einem Rechtsstreit über eine Ausgleichsforderung von 30.000,00 EUR.
Der Anwalt hat die vereinbarte Vergütung |
|
gem. § 34 Abs. 1 S. 1 RVG erhalten |
2.000,00 EUR |
Er verdient im Verfahren |
|
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG |
1.121,90 EUR |
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG |
1.035,60 EUR |
Mangels Vereinbarung gem. § 34 Abs. 2 RVG ist das vereinbarte Honorar anzurechnen, aber nur auf die Verfahrensgebühr. Angerechnet wird also auf die 1.121,90 EUR und nicht mehr, insbesondere wird nicht etwa auf die Terminsgebühr angerechnet, was nach Anrechnung auf die Verfahrensgebühr übrig geblieben ist.
b) Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr und von Verfahrensgebühren und Terminsgebühren aufeinander
Rz. 39
In Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG heißt es: "Die Anrechnung erfolgt nach dem Wert des Gegenstandes, der auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist". In Vorb. 3 Abs. 5 und 6 VV RVG heißt es, dass angerechnet wird, "soweit der Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens auch Gegenstand eines Rechtsstreits ist oder wird" bzw. "soweit eine Sache an ein Gericht zurückverwiesen wird, das mit der Sache bereits befasst war …". Die ganz h.M. leitet aus Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG die allgemeine Regel für alle diese Anrechnungsfälle ab, dass nämlich die Anrechnung sich (nur) auf den Gegenstandswert bezieht, der in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist bzw. auf den die Verfahrens-/Terminsgebühr angerechnet werden soll. Diese Anordnung wirkt sich aus, wenn der Wert der Gebühr, die angerechnet werden soll, höher ist als der Wert der Gebühr, auf die angerechnet wird.
Rz. 40
Diese Anweisung in Vorb. 3 Abs. 4 S. 3 VV RVG wird weiter so verstanden, dass es auf unterschiedliche Gebührensätze nicht ankommt. Je umfangreicher die außergerichtliche Vertretungstätigkeit war, desto höher ist die Geschäftsgebühr und damit aber auch der Anrechnungsbetrag (bis zur Kappung bei 0,75). Soweit das im Einzelfall dazu führt, dass der Anrechnungsbetrag höher ist als die Verfahrensgebühr, auf die angerechnet wird, gilt das Gleiche wie oben in a) zu § 34 (s. Rdn 37) besprochen, dass dann eben die Verfahrensgebühr mit Null angesetzt wird.
Rz. 41
Alle diese Anrechnungsbestimmungen ordnen an, welche Gebühr auf welche andere Gebühr anzurechnen ist. Diese Bestimmungen sind unverändert geblieben, geben aber jetzt nur noch an, dass eine Anrechnungslage besteht. Bei welcher der beteiligten Gebühren der Abzug vorgenommen wird, geben sie nicht mehr an. Dies steht in § 15a Abs. 1 RVG: Der Anwalt kann aussuchen, auf welche der beteiligten Gebühren er die Anrechnung vornimmt.