Frank-Michael Goebel, Thorsten Lühl
Rz. 100
Bestimmt der Vorsitzende des Prozessgerichts einen frühen ersten Termin, so wird dem Beklagten regelmäßig aufgegeben, binnen einer gerichtlichen Frist eine Klageerwiderung vorzulegen. Regelmäßig endet diese Frist erst kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung. Wird dann erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, darf dieses Vorbringen dann nicht als verspätet zurückgewiesen werden, wenn nach der Sach- und Rechtslage eine Streitbeendigung in diesem Termin von vornherein ausscheidet, etwa weil es sich erkennbar um einen Durchlauftermin oder um einen offensichtlich schwierigen Prozess handelt.
Rz. 101
Damit weitere Übersendungen von Schriftstücken oder Zustellungen unmittelbar an den Bevollmächtigten erfolgen, was im Hinblick auf den frühen ersten Termin zeitliche Verzögerung vermeidet, sollte unmittelbar nach Beauftragung dem Gericht die Vertretung angezeigt und ggf. auch bereits angekündigt werden, welche Anträge gestellt werden sollen. Letzteres ist nicht zwingend und von Gesetzes wegen auch nicht notwendig. Insbesondere sollte immer im Blick gehalten werden, ob nicht ggf. noch ein sofortiges Anerkenntnis gem. § 93 ZPO als prozessuale Handlungsmöglichkeit in Betracht kommt. In diesem Fall würde ein angekündigter Klageabweisungsantrag die Anwendbarkeit des § 93 ZPO verhindern.
Rz. 102
In der Klageerwiderung müssen dann alle vorzubringenden Verteidigungsmittel einschließlich aller Beweisangebote unverzüglich bezeichnet werden. Zugleich muss sich der Beklagte nach § 138 Abs. 1 ZPO über alle tatsächlichen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß erklären. Verschiedene Rügen können sich allerdings schon vor der Vorlage der Klageerwiderung empfehlen.
a) Die Rüge der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts
Rz. 103
Hält der Beklagte das angerufene Gericht für örtlich oder sachlich unzuständig, so sollte der Bevollmächtigte dies unmittelbar rügen, um einen unnötigen Termin zur Güteverhandlung oder einen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung zu vermeiden. Die Verweisung muss dann nach § 281 ZPO der Kläger beantragen. Dies ist insbesondere bei Amtshaftungsklagen immer wieder festzustellen, die bei einem Streitwert von nicht mehr als 5.000 EUR entgegen der Zuständigkeitsbestimmung des § 71 Abs. 2 BGB beim Amtsgericht erhoben werden. Auch werden immer wieder Gerichtsstandsvereinbarungen übersehen. In der Sache muss der Rechtsanwalt des Beklagten dann noch nicht vortragen.
Rz. 104
Hinweis
Reagiert der Beklagte auf die Klageschrift mit einer Widerklage, so führt dies nach § 5 ZPO nur dann zur Unzuständigkeit des vom Kläger angerufenen Amtsgerichts, wenn der Streitwert der Widerklage für sich allein genommen die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts begründet. Dies wird in der Praxis immer wieder übersehen. Eine Zusammenrechnung von Klage und Widerklage findet mithin zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht statt.
b) Die Güteverhandlung vor dem frühen ersten Termin
Rz. 105
Auch dem frühen ersten Termin soll nach § 278 Abs. 2 i.V.m. § 272 Abs. 3 ZPO ein Termin zur Güteverhandlung vorausgehen. Die Bestimmung eines Termins zur Durchführung einer Güteverhandlung soll nur unterbleiben, wenn ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle bereits stattgefunden hat oder die Güteverhandlung erkennbar aussichtslos erscheint.
Rz. 106
Eine Güteverhandlung dürfte schon dann nicht mehr als erkennbar aussichtslos erscheinen, wenn der Beklagte ausdrücklich auf die Möglichkeit der Güteverhandlung und seine Vergleichsbereitschaft hinweist. Dies wird der Bevollmächtigte mit seinem Mandanten zu erörtern haben. Dabei werden die Ziele einer möglichen gütlichen Einigung zu bestimmen sein. Zur Vermeidung von Haftungsfällen sollten diese Ziele gegenüber dem Mandanten schriftlich fixiert werden.
Rz. 107
Dabei muss der Prozessbevollmächtigte berücksichtigen, dass es für den Beklagten Gründe geben kann, außerhalb der tatsächlichen und rechtlichen Berechtigung des Klageanspruches den Weg einer gütlichen Einigung zu suchen. So kann es für den "geschäftlichen Ruf" nachteilig sein, ein Prozessverfahren durchstehen zu müssen. Auch kann die emotionale, familiäre oder wirtschaftliche Bindung der Prozessparteien eine solche Einigung nahe legen.
Rz. 108
Beispiel
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten, die einen kleinen Friseurladen in einer ländlichen Region betreibt, geltend, durch die fehlerhafte Auswahl und Verwendung eines Dauerwellenmittels eine Körperverletzung und infolgedessen einen weitergehenden Schaden erlitten zu haben. Die Beklagte führt die Hautreizungen auf eine für sie nicht erkennbare allergische Reaktion zurück. Hier kann der Beklagten mehr an einer schnellen und gütlichen Einigung "ohne Anerkennung" einer Rechtspflicht bei gleichzeitiger Vereinbarung, dass die Klägerin die Behauptung, sie sei fehlerhaft bedient worden, unterlässt, gelegen sein, um nicht andere Kunden abzuschrecken.
Rz...