Rz. 254

Gem. § 138 Abs. 1 ZPO hat sich jede Partei über die tatsächlichen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß zu erklären. Insbesondere muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen erklären. Eine Nichterklärung kann dazu führen, dass eine vom Kläger vorgetragene und entscheidungserhebliche Tatsache als zugestanden behandelt wird, § 138 Abs. 3 ZPO.[140]

 

Rz. 255

Die Verpflichtung nach § 138 Abs. 1 ZPO, sich über die tatsächlichen Umstände vollständig zu erklären, hindert es grundsätzlich auch, aus taktischen Gründen tatsächliches Vorbringen zurückzuhalten.

 

Rz. 256

Insoweit läuft der Bevollmächtigte Gefahr, zu einem späteren Zeitpunkt mit diesem Vorbringen nach §§ 296 ff. ZPO präkludiert zu werden. Der Rechtsanwalt kann nicht darauf vertrauen, dass der Vortrag noch nachgeholt werden kann, wenn das Gericht auf fehlende Erklärungen gem. § 139 ZPO hinweist.[141]

 

Rz. 257

Stehen dem Beklagten gegen den mit der Klage geltend gemachten Anspruch mehrere Einwendungen zu, so kann es allerdings ausreichen, eine Einwendung substantiiert vorzutragen, soweit der Bevollmächtigte sicher davon ausgehen kann, dass diese bereits durchgreift.

 

Rz. 258

 

Hinweis

Einer Partei soll jedoch Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen sein, solange sie sich entgegen § 138 Abs. 1 ZPO nicht vollständig erklärt. Unvollständig ist nach der Entscheidung des OLG Celle ein Vortrag u.a. stets dann, wenn sich die Partei darauf beschränkt, darzulegen, wie es nicht gewesen sei. Wird erst zu einem späteren Zeitpunkt substantiiert bestritten, ist der PKH-Antrag erst entscheidungsreif, nachdem die Gegenseite Stellung nehmen und Beweis antreten konnte.[142]

 

Rz. 259

 

Praxistipp

Ungeachtet dessen sollten die weiteren Einwendungen zumindest angedeutet und darauf hingewiesen werden, dass hierzu weiterer Vortrag erst dann erfolgen soll, wenn das erkennende Gericht nicht schon die primär erhobene Einwendung durchgreifen lässt.

 

Rz. 260

Der Beklagte muss beachten, dass er nicht wider besseres Wissen den vom Kläger dargelegten Sachverhalt bestreiten darf. Dies stellt einen (versuchten) Prozessbetrug dar.

 

Rz. 261

Auch darf der Beklagte nicht der Wahrheit zuwider selbst Tatsachen behaupten, die ein Gegenrecht begründen könnten.[143] Auch dies stellt einen versuchten Prozessbetrug dar. Zugleich muss bedacht werden, dass naheliegt, dass der Kläger diesen Vortrag bestreitet, er mithin bewiesen werden müsste, was dann nicht, jedenfalls nicht auf einem anerkennenswerten Weg, gelingen kann.

 

Rz. 262

Auch der Bevollmächtigte ist kraft seiner Stellung als selbstständiges Organ der Rechtspflege gehindert, von ihm als eindeutig unwahr erkannte Informationen an das Gericht weiterzugeben.[144]

 

Rz. 263

Anders verhält es sich allerdings dann, wenn der Bevollmächtigte Informationen zwar für unrichtig hält, hierfür aber keinen Beleg hat.

 

Rz. 264

 

Praxistipp

In diesen Fällen empfiehlt es sich allerdings, den Mandanten im Einzelnen darauf hinzuweisen, dass aufgrund einzelner zu benennender Umstände Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung bestehen könnten und dass für den Fall, dass das erkennende Gericht von der Unrichtigkeit der Behauptung ausgeht, Rechtsnachteile in der Sache[145] und auch strafrechtliche Konsequenzen drohen. Der Bevollmächtigte kann zur Pflege seines Mandatsverhältnisses darauf hinweisen, dass die von ihm als zweifelhaft erkannten Umstände voraussichtlich auch vom Gericht und vom Gegner als solche erkannt und problematisiert werden und deshalb schon vor dem Vortrag zu klären ist, wie diese Tatsachenbehauptung zu untermauern ist, damit keine Zweifel verbleiben.

 

Rz. 265

Werden danach Tatsachen nicht ausdrücklich bestritten, so werden diese gem. § 138 Abs. 3 ZPO von dem Gericht als zugestanden angenommen.

 

Rz. 266

 

Hinweis

Schon aus der Regelung des § 138 Abs. 3 ZPO ergibt sich, dass die allgemeine Floskel, dass das gesamte Vorbringen des Klägers grundsätzlich bestritten wird, soweit es nicht ausdrücklich zugestanden wird, unzureichend ist, da das Vorbringen konkret und ausdrücklich bestritten werden muss. Aus diesem Grunde sollte immer aufgezählt werden, welche konkreten Tatsachenbehauptungen des Klägers bestritten werden. Dies hilft dem Bevollmächtigten des Beklagten zugleich bei der "Abarbeitung" der strittigen Punkte.

 

Rz. 267

Bestreitet der Beklagte eine Behauptung des Klägers zunächst nicht, so wird diese als unstreitig behandelt. Eine Beweisaufnahme ist damit entbehrlich. Dies hindert den Beklagten nicht, zu einem späteren Zeitpunkt diese Tatsache zu bestreiten.

 

Rz. 268

 

Hinweis

Dabei muss der Beklagte allerdings berücksichtigen, dass ein späteres Bestreiten als in der Klageerwiderung als verspätet gem. § 296 ZPO zurückgewiesen werden könnte. Dabei darf das Gericht einen Vortrag nur dann als verspätet zurückweisen, wenn die Verfahrensverzögerung allein auf der Verspätung beruht, sie also hierfür kausal war. Soweit ohnehin eine Beweisaufnahme erforderlich war, kann also späterer Vortrag, der zu einer Ergänzung der Beweisaufnahme führt, nic...

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