a) Allgemeines
Rz. 57
Raub im versicherungsrechtlichen Sinne setzt eine Wegnahme nach oder durch Anwendung von Gewalt oder Drohung gegen bestimmte Personen voraus. § 1 Nr. 3 AERB 87 (A §§ 1 Nr. 4 AERB 2008, 2010) enthält drei unterschiedliche Tatbestände, nach denen der Versicherer Versicherungsschutz zu gewähren hat. Ebenso wie beim Einbruch kommt es nicht darauf an, ob der Raub zur Vollendung gelangt. Die versuchte Tatbegehung reicht für die Eintrittspflicht des Versicherers aus.
Rz. 58
Ziel des Raubes muss stets die Wegnahme versicherter Sachen sein, wobei sich die Gewalt oder die Drohung gegen unterschiedliche Personen richten kann. Diese Voraussetzung wird beispielsweise dann nicht erfüllt, wenn der Täter durch Gewalt oder Drohung keine Wegnahme einer Sache, sondern eine Vermögensverfügung anstrebt oder verwirklicht, wie dies in den Fällen räuberischer Erpressung der Fall ist.
Rz. 59
Werden nebeneinander Tatbestände des erschwerten Diebstahls und des Raubes verwirklicht, sind Versicherungsleistungen auch dann zu erbringen, wenn im Versicherungsvertrag ausdrücklich vereinbart wurde, dass in der Diebstahlversicherung die Gefahr des Raubes gerade nicht vom Versicherungsschutz mitumfasst wird. Derartige Begrenzungen des Versicherungsschutzes dienen nur dazu, Versicherungsschutz für die Fälle auszuschließen, in denen ausschließlich die Merkmale des Raubes erfüllt werden.
Rz. 60
Räumlich unterscheiden die Versicherungsbedingungen zwischen "Lokalraub" gem. § 1 Nr. 3 AERB 87 (A §§ 1 Nr. 4 AERB 2008, 2010) und "Transportraub" gem. § 1 Nr. 4 AERB 87 (A §§ 1 Nr. 5 AERB 2008, 2010). Der Lokalraub erstreckt sich auf Sachschäden durch Raub innerhalb des versicherten Gebäudes oder Grundstücks. Der Versicherungsort wird also über die im Versicherungsvertrag genannten Räume auf das gesamte Grundstück ausgedehnt, sofern es umfriedet ist. Demgegenüber besteht für Raub auf Transportwegen nur Versicherungsschutz auf Transportwegen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Die Einzelheiten hierzu werden gesondert erörtert (siehe Rdn 72 ff.).
b) Raub mit Gewalt, § 1 Nr. 3 a AERB 87, A §§ 1 Nr. 4a, aa AERB 2008, 2010
aa) Adressat der Gewalt
Rz. 61
Bedingungsgemäßer Raub liegt vor, wenn gegen den Versicherungsnehmer oder einen seiner Arbeitnehmer Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten. Gemäß § 1 Nr. 3 S. 2 AERB 87 (A §§ 1 Nr. 4 b AERB 2008, 2010) stehen einem Arbeitnehmer volljährige Familienangehörige des Versicherungsnehmers gleich, denen dieser die Obhut über die versicherten Sachen vorübergehend überlassen hat. Das Gleiche gilt für Personen, die durch den Versicherungsnehmer mit der Bewachung der als Versicherungsort vereinbarten Räume beauftragt worden sind.
bb) Gewalt
Rz. 62
Gewalt im Sinne der Versicherungsbedingungen ist Anwendung körperlicher oder mechanischer Energie gegen geleisteten oder erwarteten Widerstand gegen eine Wegnahme gegenüber dem vorgenannten Personenkreis. Da die Zielrichtung der Gewalt der Widerstand von Personen sein muss, reicht Gewalt gegen Sachen nicht aus. Allerdings fällt es unter den Begriff des Raubes, wenn der Täter das Opfer in einen Raum einschließt, wenn das Opfer bemerkt, eingeschlossen worden zu sein und sich dadurch der Wegnahme nicht erwehren zu können.
Rz. 63
Werden Gewalt und Wegnahme von Sachen durch unterschiedliche Personen verwirklicht, liegt ein unter Versicherungsschutz fallender Raub nur bei bewusstem und gewolltem Zusammenwirken der Personen vor. Weiß nur einer der Täter nicht vom Handeln der oder des anderen, liegen nur einfacher Diebstahl und gegebenenfalls Nötigung sowie Körperverletzung vor, die jedoch nicht unter Versicherungsschutz fallen.
cc) Abgrenzung zum Trickdiebstahl
Rz. 64
Die Abgrenzung zwischen versichertem Raub und nicht unter Versicherungsschutz fallenden Trickdiebstahl bereitet in der Praxis Schwierigkeiten. Gemeint sind die Fälle, in denen das Opfer vom Täter überrascht oder in einen Irrtum versetzt wird und die Überraschung oder der Irrtum zur Wegnahme der Sache führt. So wurde ein unter Versicherungsschutz fallender Raub angenommen, als dem Opfer die unter dem Oberarm getragene Geldbombe in einem unbeobachteten Moment weggerissen wurde. Entscheidend war hierfür, dass auch das Wegreißen der Geldbombe eine gewisse, wenn auch nur geringfügige Überwindung eines Widerstandes erforderte. Aus diesem Grunde ist für die Anwendung von Gewalt stets eine nicht ganz unerhebliche Kraftanstrengung des Täters gefordert.
Demgemäß wird ein Raub verneint, wenn dem Opfer die von ihm nicht festgehaltene Sache in einem unbeobachteten Moment weggenommen wird, ohne da...