Rz. 562

Gemeint sind hier die typischen, nicht handelbaren Arbeitnehmer-Aktienoptionen. Der Arbeitgeber sagt dem Mitarbeiter zu, er könne eine bestimmte Menge einer Aktie zu einem festgelegten Preis während eines Optionszeitraums erwerben. Nach BFH[18] ist der als Gehalt zu qualifizierende Vorteil aus der Option erst im Moment der Optionsausübung zu versteuern. Der steuerpflichtige Betrag ist die Differenz zwischen dem Marktwert der Aktie am Tag der Optionsausübung und dem vom Mitarbeiter zu zahlenden Optionspreis.

 

Rz. 563

 

Beispiel 26:

M erhält am 01.01.01 eine Aktienoption auf 100 Aktien, die er in den nächsten fünf Jahren ausüben kann, frühestens jedoch am 01.01.03. Der dann von M zu zahlende Optionspreis wird auf 50 pro Aktie festgelegt. Am 31.12.04 übt er die Option aus. Der Marktwert der Aktie beträgt zu diesem Zeitpunkt 150.

 

Lösung:

Der am 31.12.04 zu versteuernde Vorteil aus der Option errechnet sich wie folgt:

 
Marktwert der Aktien am 31.12.04: 100 Aktien x 150 = 15.000
Optionspreis: 100 Aktien × 50 = 5.000
Zu versteuernder Vorteil:   10.000
 

Rz. 564

Aus deutscher Sicht ist der Vorteil von 10.000 am 31.12.04 zu versteuern. Laut BFH gilt der Vorteil gleichzeitig als wirtschaftlich erdient in dem Zeitraum zwischen Optionsgewährung und der tatsächlichen Optionsausübung.[19] Für das o.g. Beispiel bedeutet dies vom 01.01.01 – 31.12.04, mithin über einen Vier-Jahres-Zeitraum. Entsprechend werden jedem dieser Jahre wirtschaftlich 2.500 zugeordnet.

Entgegen der Auffassung des BFH vertritt die Finanzverwaltung eine andere Position, was den Erdienungszeitraum betrifft. Danach ist der Vorteil von 10.000 in der Zeit zwischen Optionsgewährung und der erstmalig tatsächlich möglichen Ausübung des Optionsrechts (Vesting-Period) erdient.[20] Für das o.g. Beispiel bedeutet dies also vom 01.01.01 – 01.01.03, mithin über einen Zwei-Jahres-Zeitraum. Entspr. werden jedem dieser Jahre wirtschaftlich 5.000 zugeordnet.

Solange der Mitarbeiter in der Zeit von der Optionsgewährung bis zur Ausübung ausschließlich im Inland arbeitet, hat die unterschiedliche Betrachtungsweise keine Auswirkungen. Ist er allerdings in diesem Zeitraum ganz oder teilweise im Ausland tätig, können sich daraus höchst unterschiedliche steuerliche Konsequenzen ergeben. Der Grund dafür ist, dass in aller Regel der Staat das Besteuerungsrecht für Gehälter hat, in dem die Gehälter "erdient" werden.

 

Rz. 565

 

Beispiel 27:

Im Beispiel 26 wird M jetzt am 01.01.02 für drei Jahre nach OECD-Land entsandt. Er gibt seinen deutschen Wohnsitz auf und arbeitet ausschließlich in OECD-Land.

 

Lösung:

Deutschland besteuert nach wie vor erst bei Optionsausübung am 31.12.04. Für die Frage, wie das Besteuerungsrecht der 10.000 nach DBA auf Deutschland und OECD-Land aufzuteilen ist, kommt es nach der Sichtweise der Finanzverwaltung auf die Verhältnisse in den beiden Jahren von der Optionsgewährung bis zur ersten möglichen Optionsausübung (01.01.03) an. In 01 war M in Deutschland ansässig und hat ausschließlich hier gearbeitet, in 02 dagegen in OECD-Land. Entsprechend erhält sowohl Deutschland als auch OECD-Land das Besteuerungsrecht für jeweils 5.000. Aus BFH-Sicht werden die 10.000 jedoch in der Zeit vom 01.01.01 bis 31.12.04 erdient, somit in jedem Jahr 2.500. Damit hat Deutschland nur ein Besteuerungsrecht auf 2.500 und OECD-Land auf 7.500.

Anzumerken bleibt, dass das Beispiel unterstellt, in OECD-Land gelten die gleichen Regeln für die Besteuerung von Aktienoptionen wie in Deutschland. Das ist zwar für viele Staaten zutreffend, häufig werden die Optionen steuerlich jedoch völlig anders behandelt. Als Folge können sich Mehrfachbesteuerungen oder aber auch völlige Steuerfreiheit ergeben. Soweit Mitarbeiter ins Ausland gehen, die noch nicht ausgeübte Aktienoptionen haben, ist es daher wegen der komplexen Materie in jedem Fall angeraten, sich vor Beginn des Einsatzes fachkundig beraten zu lassen.

[20] BMF IV B 2 – S 1300/08/10027 v. 12.11.14, Rn 203.

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