Rz. 1
BGH, Urt. v. 23.2.2010 – VI ZR 331/08, VersR 2010, 550
Zitat
BGB §§ 249, 252 S. 2
Macht ein Unfallversicherungsträger wegen der Zahlung eines Verletztengeldes einen nach § 116 Abs. 1 SGB X übergegangenen Schadensersatzanspruch geltend, ist der kongruente Erwerbsschaden eines selbstständigen Unternehmers nach den Grundsätzen für die Ermittlung des entgangenen Gewinns zu schätzen.
I. Der Fall
Rz. 2
Die Klägerin begehrte als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung von der Beklagten als Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer Erstattung von Aufwendungen, die sie für ihr Mitglied N. nach einem Verkehrsunfall erbracht hat. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach stand außer Streit.
Rz. 3
N. erlitt bei dem Verkehrsunfall erhebliche Verletzungen. Neben weiteren Leistungen hatte die Klägerin Verletztengeld an die Geschädigte gezahlt und auf das Verletztengeld Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.
Rz. 4
Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat sich die Beklagte mit der Berufung insoweit gewendet, als sie zur Zahlung des Verletztengeldes einschließlich der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge verurteilt worden ist. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit der die Beklagte weiterhin Klageabweisung hinsichtlich des Verletztengeldes und die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge begehrte.
II. Die rechtliche Beurteilung
Rz. 5
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hatte die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Verletztengeldes und der darauf gezahlten Sozialversicherungsbeiträge. Die Beklagte habe den während der Arbeitsunfähigkeit des Mitglieds der Klägerin entstandenen Verdienstausfall gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 842 BGB zu ersetzen. Dieser sei gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf die Klägerin übergegangen, weil diese aufgrund des Schadensereignisses mit dem Verletztengeld gemäß § 45 Abs. 1 SGB VII Sozialleistungen habe erbringen müssen, die mit dem Verdienstausfallschaden kongruent seien. Die Geschädigte gehöre als selbstständige Kauffrau gemäß § 41 der Satzung der Klägerin zum versicherten Personenkreis. Nach § 42 Abs. 2 der Satzung sei Bemessungsgrundlage für die Zahlung von Verletztengeld ein Jahreseinkommen von 20.000 EUR. Daher habe die Versicherte nach §§ 45 Abs. 1, 47 Abs. 5 SGB VII einen Anspruch auf Verletztengeld von 44,44 EUR pro Tag.
Rz. 6
Soweit die Beklagte meine, die Klägerin habe den konkreten Verdienstausfall der Geschädigten darzulegen, sei dieser Ansicht nicht zu folgen. Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs müsse die Klägerin nur nachweisen, welche Leistungen sie an die Geschädigte erbracht habe. Selbst wenn diese tatsächlich weniger als das Verletztengeld verdient haben sollte, sei der der Klägerin entstandene, dem Erwerbsschaden der Geschädigten kongruente Schaden das auf gesetzlicher Grundlage ausgezahlte Verletztengeld.
Rz. 7
Die Ausführungen des Berufungsgerichts hielten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rz. 8
Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf den Versicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Ein Ersatzanspruch kann also nach dieser Vorschrift nur übergehen, soweit dem Geschädigten ein gesetzlicher Anspruch auf Ersatz des ihm durch die Schädigung verursachten Schadens gegen Dritte zusteht. Auch beim Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger ist Gegenstand der Ersatzpflicht nur der Schaden des Verletzten. Der Sozialversicherungsträger kann den Ersatzpflichtigen nicht auf Ersatz des eigenen "Schadens" in Gestalt seiner durch den Versicherungsfall ausgelösten, vom Gesetzgeber angeordneten Leistungspflichten in Anspruch nehmen, sondern eine Erstattung seiner Aufwendungen nur insoweit verlangen, als sie auf einen Schaden des Versicherten zu erbringen sind.
Rz. 9
Im Streitfall war das Berufungsgericht zwar ohne Rechtsfehler und insoweit von der Revision nicht angegriffen davon ausgegangen, dass die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers hinsichtlich Verletztengeld und -rente zeitlich und sachlich kongruent zum Schadensersatzanspruch der Geschädigten wegen ihres Erwerbsschadens (§§ 842, 843 BGB, § 11 StVG) ist und dies nach § 116 Abs. 1 Satz 2 SGB X auch für die abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge gilt (vgl. Senat, BGHZ 109, 291, 293 ff.; 153, 113, 120 ff.; Urt. v. 2.12.2008 – VI ZR 312/07, VersR 2009, 230 Rn 11).
Rz. 10
Die Revision beanstandete aber zu Recht, dass das Berufungsgericht gemeint hat, die Klägerin habe nicht einen konkreten Erwerbsschaden der Geschädigten darzulegen. Das Berufungsgericht hatte insoweit nicht beachtet, dass für den nach § 116 Abs. 1 SGB X übergehenden Schadensersatzanspruch nicht die Aufwendungen der Klägerin, sondern der Erwerbsschaden ihres Mitglieds N. ma...