Rz. 107
BGH, Urt. v. 27.10.2015 – VI ZR 183/15, VersR 2015, 1569 = zfs 2016, 200
Zitat
BGB § 842; StVG § 11 S. 1; BBesG v. 30.7.2004 § 58a; BBesG v. 5.2.2009 § 56; AuslVZV § 1
Bei der Berechnung des Anspruchs auf Ersatz von Verdienstausfall ist der Auslandsverwendungszuschlag grundsätzlich als Einkommen des Verletzten zu berücksichtigen.
I. Der Fall
Rz. 108
Der Kläger war Zeitsoldat bei der Bundesmarine. Er nahm die Beklagte aufgrund eines Verkehrsunfalls auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und – soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse – auf Ersatz entgangener Auslandsverwendungszuschläge in Anspruch.
Rz. 109
Der Kläger erlitt am 29.7.2011 bei einem Verkehrsunfall, für den der Beklagte zu 1 als Halter eines Pkw und die Beklagte zu 2 als dessen Haftpflichtversicherer unstreitig zu 100 % einstandspflichtig waren, ein stumpfes Becken- und Bauchtrauma. Anfang November 2011 führte eine linksseitige Adduktorenzerrung in der Leistenregion zu einem mehrtägigen Krankenhausaufenthalt des Klägers. Die damit verbundene Schmerzsymptomatik wurde am 6.11.2011 erfolgreich behandelt. Der Kläger war nach der Bestätigung des Schiffsarztes vom 19.11.2013 im Zeitraum vom 29.7.2011 bis 23.1.2012 aufgrund von Krankheit arbeits- und dienstunfähig. Er verrichtete nicht – wie geplant – auf der Fregatte "Lübeck" während der Anti-Piraterie-Mission ATALANTA von November 2011 bis März 2012 seinen Dienst, sondern nahm diesen erst ab dem 4.2.2012 wieder auf. Der Kläger machte geltend, ihm sei durch den Unfall u.a. ein Auslandsverwendungszuschlag in Höhe von 5.290 EUR entgangen.
Rz. 110
Das LG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.
II. Die rechtliche Beurteilung
Rz. 111
Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Revision wandte sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dem Kläger sei infolge des Unfalls kein Erwerbsschaden im Sinne der § 842 Fall 1 BGB, § 11 S. 1 Fall 1 StVG entstanden, weil der entgangene Auslandsverwendungszuschlag nicht ersatzfähig sei. Feststellungen dazu, dass der Kläger den Auslandseinsatz wegen der beim Unfall erlittenen Verletzungen versäumt hat, hatte das Berufungsgericht nicht getroffen. Für das Revisionsverfahren hatte der Senat zugunsten des Klägers zu unterstellen, dass die Unfallfolgen kausal für den verspäteten Einsatz des Klägers auf der Fregatte "Lübeck" waren.
Rz. 112
Gemäß § 842 BGB, § 11 S. 1 StVG erstreckt sich bei einer Körperverletzung die Verpflichtung zum Schadensersatz auf die (Vermögens-)Nachteile, die der Verletzte durch die Aufhebung oder Minderung seiner Erwerbsfähigkeit erleidet. Die Ersatzpflicht greift ein, wenn durch die Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Verletzten in dessen Vermögen ein konkreter Schaden entstanden ist. Ein solcher liegt nicht nur in dem Verlust von Arbeitseinkommen; der Erwerbsschaden umfasst vielmehr alle wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die der Verletzte erleidet, weil und soweit er seine Arbeitskraft verletzungsbedingt nicht verwerten kann, die also der Mangel der vollen Einsatzfähigkeit seiner Person mit sich bringt. Aufwandsentschädigungen, die kein zusätzliches Einkommen, sondern nur eine Vergütung für tatsächliche erwerbsbedingte Aufwendungen sind (Spesen, Kleidergeld und dergleichen), sind hingegen nicht vom Schädiger zu ersetzen, wenn der Verletzte verletzungsbedingt nicht in der Lage ist, der mit Aufwendungen verbundenen Tätigkeit nachzugehen. Insoweit ist der Verletzte nicht geschädigt, denn dem Ausbleiben der Aufwandsentschädigung steht die Ersparnis der Aufwendungen gegenüber. Bei Zahlung eines pauschalierten Aufwendungsersatzes ist eine echte Aufwandsentschädigung dann anzunehmen, wenn der Geschädigte auch tatsächlich Aufwendungen gehabt hätte, die mit der Pauschale abgegolten werden sollten. Erhält er hingegen eine Pauschale, die nicht notwendigerweise für tatsächliche Verwendungen bestimmt ist, wird durch den Pauschbetrag sein Einkommen faktisch erhöht. Bei der Berechnung des Anspruchs auf Ersatz des Verdienstausfalls ist der Anspruch auf einen solchen pauschalen Betrag demzufolge als Einkunft zu berücksichtigen.
Rz. 113
Im Streitfall handelte es sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht um eine echte Aufwandsentschädigung, mit der ein im Einzelnen abzurechnender Aufwand ausgeglichen wird, sondern um einen Pauschbetrag, mit dem bei einem bestimmten Auslandseinsatz aufgrund der örtlichen Verhältnisse im Allgemeinen entstehende Aufwendungen und Erschwernisse abgegolten werden sollen.
Rz. 114
Der mit dem Gesetz über dienstrechtliche Regelungen für besondere Verwendungen im Ausland (Auslandsverwendungsgesetz – AuslVG) vom 28.7.1993 in § 58a BBesG a.F. geschaffene Auslandsverwendungszuschlag bezweckte, Soldaten einen Anreiz zur Teilnahme an Auslandseinsätzen zu bieten und die mit der Teilnahme verbundenen Belastungen und Ge...