Rz. 145
BGH, Urt. v. 22.11.2016 – VI ZR 40/16, juris
Zitat
BGB § 249, § 823; StVG § 7, § 18; EFZG § 6
a) Wird ein Arbeitnehmer bei einem Unfall im Straßenverkehr verletzt, liegt da-rin kein betriebsbezogener Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Arbeitgebers (Fortführung Senatsurt. v. 14.10.2008 – VI ZR 36/08, VersR 2008, 1697 Rn 5).
b) Steht dem bei einem Unfall im Straßenverkehr verletzten Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung zu zahlende Ergebnisbeteiligung trotz seiner zeitweisen Arbeitsunfähigkeit ungekürzt zu, so steht dies der Annahme eines (normativen) Verdienstausfallschadens in Höhe des rechnerisch auf die Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit entfallenden Teils der Prämie nicht entgegen. Ob sich die Ergebnisbeteiligung arbeitsrechtlich als Entgelt im engeren Sinne, als Belohnung für die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue oder als Anreiz für künftige Betriebstreue darstellt oder diese Elemente miteinander verbindet, ist schadensrechtlich grundsätzlich ohne Bedeutung (Fortführung Senatsurt. v. 7.5.1996 – VI ZR 102/95, BGHZ 133, 1, 4 ff.).
c) Zur Aktivlegitimation des Arbeitgebers hinsichtlich des zunächst dem Arbeit-nehmer zustehenden Anspruchs auf Ersatz des Verdienstausfallschadens.
d) Zur Berechnung des auf die Zeit der Arbeitsunfähigkeit entfallenden Teils der Prämie.
I. Der Fall
Rz. 146
Die Klägerin verlangte von den Beklagten Ersatz von Zahlungen, die sie als Arbeitgeberin nach einem Verkehrsunfall an einen Mitarbeiter für die Zeit seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit erbracht hatte.
Rz. 147
Im August 2013 wurde der bei der Klägerin beschäftigte D. E. (im Folgenden: Verletzter) bei einem vom Beklagten zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Kraftfahrzeug verursachten Verkehrsunfall, für dessen Folgen die Beklagten zu 100 % einzustehen hatten, verletzt. Infolge des Unfalls war der Verletzte im Jahr 2013 über einen Zeitraum von 63 Tagen arbeitsunfähig. Im April 2014 zahlte die Klägerin dem Verletzten eine Ergebnisbeteiligung für das Jahr 2013 in Höhe von 2.541 EUR zuzüglich eines Sonderbonus von 500 EUR. Bereits im Dezember 2013 hatte der Verletzte seine Ansprüche gegen den Schädiger aus dem Schadensfall "wegen und in Höhe der gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Verpflichtung bereits geleisteten oder zukünftig noch zu leistenden Zahlungen durch die D. AG [Klägerin]" an die Klägerin abgetreten."
Rz. 148
Die Klägerin verlangte von den Beklagten – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – Erstattung des rechnerisch auf die Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit des Verletzten entfallenden Teils von Ergebnisbeteiligung und Sonderbonus in Höhe von 707,46 EUR nebst Zinsen.
Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin hiergegen geführte Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin den Anspruch weiter.
II. Die rechtliche Beurteilung
Rz. 149
Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
Zutreffend war die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe kein originär eigener Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu. Es fehlte an der Verletzung eines der Klägerin zustehenden Rechtsguts im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Insbesondere liegt bei einem Unfall eines Arbeitnehmers im Straßenverkehr kein betriebsbezogener Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Arbeitgebers vor (vgl. Senatsurt. v. 14.10.2008 – VI ZR 36/08, VersR 2008, 1697 Rn 5; Beschl. v. 10.12.2002 – VI ZR 171/02, VersR 2003, 466 f.; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. Aufl., Rn 105).
Rz. 150
Anders als das Berufungsgericht meinte, war die Klägerin dem Grunde nach – unabhängig von einem gesetzlichen Forderungsübergang nach § 6 Abs. 1 EFZG – aus abgetretenem Recht Inhaberin des von ihr geltend gemachten Anspruchs.
Rz. 151
Der zunächst dem Verletzten zustehende Schadensersatzanspruch aus §§ 7, 18 StVG und § 823 Abs. 1 BGB, bezüglich der Beklagten zu 2 in Verbindung mit § 115 VVG, umfasst den anteiligen Ersatz von Ergebnisbeteiligung und Sonderbonus. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war dem Verletzten insoweit ein Schaden entstanden.
Rz. 152
Dies folgt freilich noch nicht aus der sogenannten Differenzhypothese. Ihr zufolge ist die Frage, ob ein zu ersetzender Schaden vorliegt, grundsätzlich durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen (Senatsurt. v. 18.1.2011 – VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78 Rn 8 m.w.N.). Ist die infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretene Vermögenslage ungünstiger als diejenige, die sich ohne das Ereignis ergeben hätte, so hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Differenzschaden zu ersetzen (Senat a.a.O.).
Rz. 153
Im Streitfall lag eine solche Differenz in Bezug auf Ergebnisbeteiligung und Sonderbonus nic...