Rz. 261
Zitat
BGB § 249; SGB X §§ 116 und 119; SGB VI §§ 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, 187a Abs. 2
1. Ob eine Kürzung der Altersrente wegen des Bezugs der vorgezogenen Altersrente nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SGB VI auch dann gerechtfertigt ist, wenn in einem Haftpflichtschadensfall der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer den nach §§ 116 und 119 SGB X regressierenden Rentenversicherungsträger durch Erstattung der jeweiligen Rentenzahlungen und Zahlung der entgangenen Pflichtbeiträge wirtschaftlich so stellt, als sei der Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze erwerbstätig gewesen, ist eine sozialversicherungsrechtliche Vorfrage, die im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 118 SGB X im sozialgerichtlichen Verfahren zu entscheiden ist.
2. Ein nach § 249 BGB ersatzpflichtiger Rentenkürzungsschaden des Geschädigten könnte in einem solchen Fall nicht verneint werden, wenn dieser nach sozialversicherungsrechtlichen Grundsätzen gleichwohl eine Kürzung seiner Altersrente hinnehmen müsste.
3. Dass der Geschädigte einen entsprechenden Rentenabschlag durch Zahlung von zusätzlichen Beiträgen in Form eines Einmalbetrages i.S.d. § 187a Abs. 2 SGB VI hätte vermeiden können, begründet – mangels Vorliegens der Voraussetzungen – weder nach § 116 SGB X noch nach § 119 SGB X einen Übergang dieses (höchstpersönlichen) Gestaltungsrechts des Versicherten auf den Rentenversicherungsträger.
a) Der Fall
Rz. 262
Der 1945 geborene Kläger nahm die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 8.5.2003 in Anspruch, bei dem er verletzt wurde. Die volle Einstandspflicht des Beklagten als Haftpflichtversicherer für den unfallbedingten Schaden des Klägers war dem Grunde nach nicht im Streit. Wegen der Verletzungsfolgen war der Kläger zunächst arbeitsunfähig und schließlich arbeitslos. Auf Anraten der Beklagten stellte er bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, seiner Streithelferin, einen Antrag auf Bezug vorgezogener Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach § 237 SGB VI, die ihm ab dem 1.3.2006 bis zum Eintritt in die Altersrente am 1.6.2010, also für 51 Monate mit einem Abschlag in Höhe von 15,3 % gezahlt wurde. Seitdem bezieht der Kläger Altersrente, die jedoch durch die Streithelferin wegen der Inanspruchnahme vorgezogener Altersrente unter Verweis auf § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a SGB VI ebenfalls mit einem gekürzten Rentenzugangsfaktor (0,847 statt 1) berechnet wird, was einem Abschlag von 15,3 % entspricht. Die Beklagte hat der Streithelferin im Regressweg sowohl die von dieser gezahlte vorgezogene Altersrente als auch die Beiträge zur Rentenversicherung erstattet, die bei einer Fortdauer der Erwerbstätigkeit des Klägers bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze von 65 Jahren angefallen wären. Neben der Altersrente erhält der Kläger von der Berufsgenossenschaft aufgrund desselben Unfallereignisses eine lebenslange monatliche Verletztenrente, welche die Rentenkürzung in der Altersrente übersteigt.
Rz. 263
Der Kläger verlangte von der Beklagten Ersatz des Schadens, der ihm durch die Kürzung seiner Altersrente durch die Streithelferin entstanden ist oder noch entstehen wird. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Klagebegehren weiter.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 264
Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Selbst wenn ein unfallursächlicher Rentenkürzungsschaden aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen eingetreten sein sollte, wäre der Kläger jedenfalls nicht Anspruchsinhaber eines entsprechenden Schadensersatzanspruchs aus § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1, §§ 842, 249, 252 BGB. Dieser wäre vielmehr nach § 116 SGB X auf den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung übergegangen, welcher dem Kläger aufgrund des Unfalls eine dem etwaigen Rentenkürzungsschaden kongruente Verletztenrente gewährt.
Rz. 265
Allerdings war ein unfallbedingter Rentenkürzungsschaden des Klägers nicht schon deshalb zu verneinen, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Beklagte der Streithelferin sowohl nach § 119 SGB X die entgangenen Beiträge zur Rentenversicherung (sogenannter Rentenverkürzungsschaden) erstattet hat als auch die an den Kläger gezahlte vorzeitige Altersrente bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres (so allerdings Jahnke, VersR 2016, 1283, 1285). Dadurch hat die Beklagte zwar die gemäß § 119 SGB X und § 116 SGB X auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übergegangenen Schadensersatzansprüche des Klägers erfüllt und den Rentenversicherungsträger damit wirtschaftlich so gestellt, als wäre der Kläger bis zum 65. Lebensjahr erwerbstätig gewesen. Ein nach § 249 BGB ersatzpflichtiger Rentenkürzungsschaden des Klägers könnte jedoch nicht verneint werden, wenn er nach sozialversicherungsrechtlichen Grundsätzen gleichwohl eine Kürzung seiner Rente im Vergleich zu seiner Vermögenssituation ohne den Verkehrsunfall hinnehmen müsste.